Dienstag, 11. Juli 2006

Erstes Mal mit Robert

Die Nacht und den heutigen Tag habe ich also mit Robert verbracht. Ich habe im Plattengeschäft zwischen Kammermusik und Symphonien gezögert. Habe mir dann gedacht, dass ich nicht immer das kaufen sollte, wovon ich sowieso schon weiß, dass ich es mag – also sind es die Symphonien geworden. Böse Menschen behaupten ja, die wären nicht so toll. Aber Hr. Gardiner und seine Leute zeichnen ein ganz anderes Bild...


Lieber Robert,

wir zwei wären schon ein seltsames Paar… wären deine Symphonien ein Nachmittag, in dem wir gemeinsam spazieren gehen würden, ergäbe das folgendes Bild:
Grundsätzlich wäre die Szenerie in flirrendes Spätaugust-Licht getaucht, mit ein bisschen Wind, Vogelsang, kurz gesagt mit der nötigen Romantik bepackt, die wir zwei empfindsamen Seelen so dringend brauchen.
Du schreitest also voran, immer gerade voraus, mit diesem Kinn, das ich so mag. Du streifst durchs Gras, bleibst hin und wieder vor einem besonders schönen Baum stehen – vollkommen überwältigt von der offensichtlichen Schönheit dieser Welt schüttelst du ein paar besonders berührend dichte Bläserpassagen aus dem Ärmel und als ich dazukomme, um mir deine Seelenregung ein bisschen näher anzusehen, siehst du mir nur ganz kurz in die Augen und bist auch schon weiter spazierst. Schnell wirfst du die Musik in die Höhe, einem aufgeregten Vogel nach.
Ich stehe blöd da. Hätte mir erhofft, dass du ein bisschen länger im Sonnenlicht dahinträumst. Hm. Ich habe keine Lust, mit dem Schwelgen schon wieder aufzuhören, muss dir aber wohl oder übel hinterher. Und kaum bin ich um die Ecke gebogen, sehe ich dich, über einen toten Schmetterling gebeugt, die unausweichliche Vergänglichkeit aller Dinge beweinen. Mit dem gesamten Orchester versinkst du in den tiefsten Weltschmerz. Ich muss ein schlechter Mensch sein, denke ich mir, weil ich nichts mehr liebe, als wenn du die Welt durch einen Tränenschleier betrachtest und sie trotzdem noch immer ganz offensichtlich schön findest. Aber du willst einfach nicht in dieser tieftraurigen Stimmung bleiben.
Und so geht das den ganzen Nachmittag, du voran, ich hinterher, du von Grashalm zu Baum zu Schmetterling zu Kiesel zu Vogelnest zu Wegrand und Glockenturm, zeigst mir die ganze Welt und ich immer dir nach. Wünsche mir sehnlich, du würdest einmal nur stehen bleiben, verschnaufen und genau dort bleiben wo du bist. Ich glaube, du hast diese Symphonien nur geschrieben, um mich zu ärgern. Hältst mir einen tollen Bissen vor die Nase und lockst mich damit durch eine halbe Stunde Musik und wenn ich glaube, ich hab ihn – ist es aus.

2 Kommentare:

Sati hat gesagt…

Ähhhmm....funktionieren so nicht sehr viele Beziehungen, eine(r) läuft voraus und der/die andere hinterher, um den/die vorne zu erreichen. Emotional, mental, egal... Aber du hast recht, ein schönes Kinn hat er, und schließlich ist er ein Zauberer der Musik und hat tatsächlich etwas, das erreichen zu wollen sich lohnt. Das haben ja nicht alle, denen hinterhergelaufen wird. Kleine sarkastische Betrachtung zu deiner wunderschönen Beschreibung, Labbatú y su cuervo feliz

artemis hat gesagt…

Hehe, dass die Verfolgten meist über einen Zauber verfügen, den anscheinend NUR und AUSSCHLIESSLICH der/die Verfolgende wahrnimmt, ist tragisch und saukomisch zugleich.
In diesem Fall glaube ich ja nicht, dass Herr Schumann MIR davon läuft, sondern im Gegenteil, dass er mir so gern alles zeigen möchte. Und ich bin einfach zu langsam. Es ist also mehr ein Hinterherjapsen, denn ein Verfolgen.
Und ja, sein Kinn hat mich schon als Kind fasziniert, der Robert war mein erklärter Traumprinz...