Samstag, 2. August 2008

i've moved

I've moved to my new blogging home Lily Lotus WillowTree.

My blog will remain in German. I've added a new section in English, though, in the 'Lotus' category -> Journey of Yoga. It's a weekly journal about, well - my Yoga practice...

Meet you there!

Sonntag, 13. Juli 2008

es wird zeit

Liebe Leute,

ich habe meine Koffer gepackt und bin umgezogen. Ich lasse auch gleich meinen Namen hier liegen.

Schon seit längerem hat mich die Unübersichtlichkeit bei bloggers ein wenig in die Enge getrieben. Für meine Zwecke - nämlich hier zugleich meine yogischen Erfahrungen und alles andere in meinem Leben festzuhalten - sind die Möglichkeiten hier zwar schön, aber begrenzt.

Ja, natürlich - alle Dinge sind eins. Warum ich sie auf meinem neuen Blog trotzdem trennen möchte? Weil auch Bücher Kapitel haben und ich möchte, dass sich jeder raussuchen kann, worauf er Lust hat. Also: Links oder Tagebuch oder Buchrezensionen oder ... Ihr versteht schon.

Vielleicht aber ist es auch einfach was die Chinesen sagen: regelmäßig Umziehen ist gut für die Gesundheit.

Also, auf Wiedersehen!

Lily Lotus WillowTree

(Achtung, die Seite muckt im Explorer aus mir unerfindlichen Gründen ein klein wenig. Wer Firefox hat, wende dieses an...)

Montag, 7. Juli 2008

wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin? und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.

Die Geschichten, die ich mir gerne über meinen Lebensweg und den anderer erzähle, sind eine Zusammenstellung von Erinnerungsfetzen, Glücksmomenten und Lernvorgängen. Es sind komprimierte Fassungen willkürlich ausgewählter Episoden, jederzeit beliebig neu zusammen zu stecken und neu zu erzählen.

Die Geschichten, die ich mir aus meinen Lebenswanderungen schreibe - was sind sie? Während ich meinen Weg gehe, stellt sich mir die Frage nach Weisheit und Wahrheit. Darüber möchte ich heute schreiben.

Obwohl an diesen Geschichten genauso wenig wirklich "Ich" ist, wie an "meinen" Gefühlen und "meinem" Körper, so sammle ich unterwegs dennoch etwas, das ich Weisheit nennen möchte und das mir manchmal erst im Rückblick - im Erzählen der Geschichte - gänzlich ersichtlich wird.

Gerade noch dachte ich, dass ich die Weisheit aufsammle, entlang des Weges. Aber - vielleicht bin ich keine Wanderin. Vielleicht stehe ich nur da während ich in die Weisheit hineinwachse, sie einatme und immer mehr in ihr ruhe ... wie ein Baum.

Bäume entfalten sich in der Wahrheit ihrer Existenz und der Tatsächlichkeit der Dinge um sie herum. Was sie zu geben haben, ist Weisheit. Ich kann getrost sagen: was immer ein Baum mir erzählt hat wenn ich die Tollkühnheit besaß, ihn zu fragen, war weise und wahr. Ratschläge aus den Baumkronen oder dem Bauch der Erde sind von einer Gewissheit durchströmt, die ihresgleichen sucht.

Und warum gestehen sich Menschen so wenig davon zu?

Vielleicht aus vorausahnender Vorsicht? - kommt einer anmarschiert um triumphierend die Flagge der einzigen und allgemeingültigen Wahrheit zu schwingen, lässt die Nachhut der engen Herzen und Stirnen meist nicht lange auf sich warten. Aber das Gegenteil - die totale Beliebigkeit - scheint mir auch kein Banner zu sein, unter dem es sich gut stehen oder gehen lässt. Um mich deutlich auszudrücken - es geht mir nicht darum, ob Herr X sein Ei lieber mit dem Messer oder dem Löffel aufschlägt. Unter Beliebigkeit verstehe ich, dass mir Lebensgewohnheiten und Denkmuster als "Freiheit" verkauft werden, die Schaden zufügen. Der wiederum wird proper unter den Teppich - pardon, die Flagge - gekehrt.

Das kann mich verrückt machen an dieser Welt; die vorgegaukelte, verlogene Freiheit, alles tun, lassen und denken zu dürfen, was ich will. (Und ich weiß, dass mir 'die Welt' damit nur meine eigene Unsicherheit zuspielt...) Der natürliche Drang nach Glück und persönlicher Befreiung wird in gut anzuzapfenden Bahnen begradigt, und hast-du-nicht-gesehen ist der drängende Mensch zur seichte Gewässer entlang schippernden Strohpuppe mutiert. Der daraufhin lernt, das lichterlohe Brennen mit dem Licht persönlicher Aufgeklärtheit zu verwechseln.

Ursprünglich ist dieses Konzept von persönlicher Freiheit ja schön und gut. Ich möchte leben und leben lassen. Ich muss mich nicht über die vermeintliche Kleinkariertheit der einen ärgern, die scheinbare Dummheit der anderen verurteilen und mich dazwischen, während ich im Saft meiner wütenden Dogmatik vor mich hin brate, immer wieder mit Weihrauch besprenkeln. Denn obwohl ich auch das bisweilen fast schon als Sport betreibe (weil es sich so verführerisch anfühlt und Gelegenheiten dazu reichlich nachwachsen, wenn ich es will), ist es nicht gut für mein Herz, meinen Seelenfrieden und meine Entwicklung. Das ist zumindest meine Weisheit. Also, Schuhe geschnürt, und hinauf den Berg der glückseligen Gelassenheit und liebenden Neutralität.

Was ich also gerne können würde, ist ganz und gar, und aus vollem Herzen, jedem Wesen seinen Weg, seine Weisheit und seine Lernaufgaben zugestehen. Mir eingestehen, dass ich nach meiner Wahrheit suchen muss, nach dem was mich nährt und dem was mich unfrei macht. Basta.

Immer wieder aber, wenn ich meine heimelige Klause verlasse und mich gänzlich hinüber in die Welt der Menschen wage (das passiert etwa 4 Mal die Woche), überfällt mich das unangenehme Gefühl, dass die ganze Sache mit dem Wertepluralismus gar nicht der Befreiung dient, sondern der Zementierung von Lebensweg-Geschichten, der Untätigkeit, Gleichgültigkeit und der Verfremdung. Denn neben dem glückseligen Dahinschippern haben wir auch gelernt, einander nicht auf unser Strohpuppen-Dasein anzusprechen. "Jedem Tierchen sein Plaisierchen."

Höchst beeindruckend finde ich da Menschen, die mir gradeheraus sagen können, dass ich schädlich handle und denke; dass die zugrundeliegende Wahrheit des Lebens eine andere ist, als das wonach ich hetze; dass auch ich eine Puppe geworden bin ... und die dabei nicht mit Flaggen wehen müssen. Menschen die sich zugestehen, fehlbar zu sein und dennoch Wahres verbreiten zu können; Menschen, die nicht Recht haben müssen und gerade deshalb recht sprechen. Menschen, die so rein und unverhaftet sind, dass sie die gesamte Skala ihrer Emotionen, Erfahrungen und Talente zu spielen vermögen, um einer tief wurzelnden Lebenswahrheit eine Ausdrucksmöglichkeit zu bieten.

Menschen schließlich, die sich selbst überflügeln, um der Lebendigkeit und Freiheit aller zu dienen.
Titel: Zitat von Kurt Marti

Sonntag, 22. Juni 2008

was neues...

... war es für mich mit Sicherheit, beim Ticketverkauf während eines Festivals aufgrund meiner Hautfarbe beleidigt zu werden. Von einem Schwarzen. Rassismus verkehrt herum, sozusagen.

Ich gebe zu, ich war vollkommen überrumpelt, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte, dass Hautfarben noch lange nichts über Gesinnungen aussagen. Und auch, dass Vorurteile und Engstirnigkeit völker- bzw. farb-übergreifende Phänomene sind.

Nun wurde ich aber von kleinauf darauf abgerichtet, Rassismus und seine "Opfer" (schwarz, kaffeebraun oder asiatisch) zu erkennen und mich zugleich der Gruppe von "Tätern" (weiß) zugehörig zu fühlen, so dass mich die Wendung dieses Blatts an einem Punkt traf, an dem ich auf kein erlerntes oder erlebtes Wissen zurückgreifen konnte. Ich war - mundtot. Und musste lachen (was mein Gegenüber wohl in der Annahme bestärkt haben muss, ich sei eine hinterfotzige, betrügerische Weiße).

Ich wurde noch nie wegen meiner Haut und ihrer Farbe kategorisiert, schubladisiert oder mit Etiketten beklebt. Bin also ein vollkommen unbeschriebenes Blatt. An meiner Reaktion erkenne ich am eigenen Leib das wirklich Hintertückische des Rassismus': er untergräbt das Identitätsgefühl, zerstört die Empfindung eines grundsätzlichen In-Ordnung-Seins und schlussendlich verpflanzt er Scham und Schuld in das System eines Menschen.

Ich reagierte folgendermaßen: zunächst Empörung. "Wie kann der nur so über mich reden, nur weil ich so aussehe, er kennt mich nicht!" Dann - einlenken. "Wenn ich zurückschimpfe, dann... und überhaupt, wie sieht das aus, wenn ich hier mit einem schwarzen Mann streite, noch dazu einer, der so schreit." Dann - Scham. "Ich bin weiß. Ich gehöre zu jenen, die das System so gestalten, dass dieser Mann verbittert." Dann - Schuld. "Ich bin weiß. Und ich tue nicht genug." Dann - Aufbäumen. "Was hier passiert, ist nicht richtig." Dann (das Gift sickert nach): "Er hat Recht. Ich habe vermutlich den Fehler begangen, den er mir unterstellt. Und wenn ich mich umsehe, dann sind viele Weiße tatsächlich so, wie er behauptet. Und für sie schäme ich mich, weil ich eine von ihnen bin."

Ich weiß nicht, warum mich das so aufwühlt - es ist ja nicht das erste Mal, dass mein Empfinden von mir selbst von außen angegriffen und in Frage gestellt wird. Vielleicht liegt es am Thema Haut - deren Farbe kann ich ja nun wirklich nicht ändern (ja, gut, weil ich nicht ins Solarium gehe etc.). Wegen meiner Haut angegriffen zu werden, hat mich mit Gefühlen des Ausgeliefertseins und der Machtlosigkeit bekannt gemacht, denen ich so noch nicht begegnet bin. Vielleicht weil Haut etwas so öffentlich-intimes zugleich ist, weil sie meine grobstofflichen Grenzen, mein Territorium bestimmt ... Ich weiß es nicht.

Danke jedenfalls dem "Täter".

Mittwoch, 18. Juni 2008

ein paar gedanken zu wandel und dauer

Meine Freunde haben sich wieder über den Erdball verteilt. Es fällt mir nicht schwer, die Menschen loszulassen. Aber die Gemeinschaft, die an einem Ziel gearbeitet hat, ist wieder verstreut. So soll es sein - und trotzdem fühlen wir uns alle plötzlich sehr klein; sehr allein.

Ungewisse Phasen lösen bei mir einen Mechanismus aus, der mich alle Antennen ausfahren lässt und alarmbereit hält. Ich befinde mich dann in einem Niemandsland zwischen totaler Aufmerksamkeit, Kopflosigkeit und Erwartung. Ich warte, welche Türe sich öffnen wird (bis jetzt lag hinter dem Nebelschleier immer nur Gutes) und in der Zwischenzeit suche ich mir etwas zum Festhalten.

In diesen Phasen erfahre ich besonders deutlich alle meine Tugenden und noch nicht integrierten Schattenseiten nebeneinander. Ich entfalte unglaubliche Disziplin, Stärke und Wachsamkeit und im selben Maße steigt die Unruhe und Raserei in meinem Geist. Oder vielleicht nehme ich einfach nur verstärkt wahr, dass ich kaum etwas mit ganzer Hinwendung mache; ... dass ich drei Runden Spider-Solitär spiele während der Browser lädt; auf der Uni ans Essen denke, während dem Essen ans Üben denke, und während dem Üben an die Erlagscheine.

Während ich ungekannte Geduld aufbringe und mich in Demut übe, vergleiche ich mich mit anderen; lande höher oder tiefer auf dem gedachten Podest; bin in einem Augenblick die Königin der Welt, im nächsten zu nichts nütze. Im einen Moment gebe ich nach und lasse los; im Nächsten klage ich an, schimpfe, suche.

Ich genieße den Prozess; die Wogen sind das Einzige, woran ich mich festhalten kann. Anscheinend weiß ich mit handfesten Krisen, Angst, Scham oder Panik besser umzugehen, als mit monotoner Abgestumpftheit, in der es mir weder richtig gut noch richtig schlecht geht.

Und Yoga erweist sich wieder einmal als mein Anker, mein Kompass und mein Schiff zugleich. Es erstaunt mich selbst, dass sich meine Praxis immer weiter vertieft. Im Laufe der Monate und Jahre nimmt die Fruchtbarkeit dieses Bodens nicht etwa ab - und ich erkenne mit der größten Freude, dass inmitten meines Lebens einen Pol von lebendiger Dauer gewachsen ist, der sich beständig ausweitet.

Ich bin ein flatterhafter Mensch, lebe ein bisschen im Wettstreit mit mir selbst und lege mir gelegentlich Steine in den Weg, nur um drübersteigen zu können. In mir liegt eine Furcht, nichts entdecken zu können, abzustumpfen oder zu versacken. Eine Furcht davor, der Strom des Lebendigen könnte versiegen, oder davor, den Weg zur Quelle nicht zu finden. Was mich gelegentlich antreibt, ist die Scham, nicht zu genügen. Was mich zurückhält, die Angst, falsche Schritte zu wagen.

Denn eine Qualität von Dauer habe ich in mir und in meinem Umfeld (bis vor einigen Jahren) nur selten erlebt. Ich meine mit "Dauer" einen beständigen Fluss neutraler Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen, der von Egos, Raum oder Zeit nicht unterbrochen werden kann.

Ich war mir auch der Bedingungslosigkeit solcher Dauer nicht bewusst. Dass sie tatsächlich auch dann besteht, wenn ich ganz aus meiner Mitte gerate und so gar keine Yogini bin.

Und nun finde ich beide Seiten vereint; die Bewegung und die Dauer: Ich stelle nicht nur fest, dass mich eine Sache nach langer Zeit immer noch immer weiter überraschen, anziehen und befriedigen kann. Ich freue mich an dem stabilen Gefährt, das ich mir gebaut habe und mit dem ich bis jetzt sicher unterwegs bin.

Ich bin dankbar und freue mich über die Zuversicht und Lebendigkeit, mit der ich die scheinbar leere Seite aufschlagen kann.

Die nächsten Wochen werden voraussichtlich ebenso turbulent, wie die vergangenen. Der Umbau in meinem Innenleben führt zu schöpferischer Leere auf meinem Blog. Ich brauche viel Zeit - ich hoffe, ihr harrt mit mir aus.

***

Im Traum heute Nacht spreche ich mit einem Mädchen. "Die Guten bekommen nicht den einfachen Weg. Die Guten gehen den Berg hinauf." Ich sehe Sam, der Frodo den Berg hinaufschleppt - nicht wie in Jacksons Verfilmung - mein eigenes Kopfkino. Das fällt mir ein, als ich heute einen Hügel hinauf radle. Muss schmunzeln.

Montag, 9. Juni 2008

zurück in die zukunft

Bin z.Z. in einer Zeitschleife gefangen!

Nach einem Jahr wieder in Schweden, wo ich 2006/07 studiert hab.

Liebe Leser, es ist verwirrend.

Habe das Gefühl, als wäre das Jahr dazwischen nicht passiert: möchte Gebäude betreten, als würde ich immer noch drinnen arbeiten, wohnen oder studieren...

Ich kann sogar noch auf Schwedisch zählen!

Mittwoch, 21. Mai 2008

du nimmst das ei und kochst es. wenn es hart ist, sind fünf minuten um. dann weißt du, dass die zeit vergangen ist.


Dieser Post ist eine Fortspinnung der Gedanken in
Anujas Blog-Eintrag über die Zeit. Er soll keine Definitionen über die Zeit liefern, sondern zusammenfassen, was mir zur Zeit (im doppelten Sinne des Ausdrucks) durch den Kopf geht. Meine vorrangige Absicht ist es, Verwirrung zu stiften. Obwohl meine Überlegungen so etwas wie wissenschaftlicher Recherche entspringen, behalte ich mir vor, mich zu irren, zu täuschen, Kraut und Rüben durcheinander zu würfeln oder euch einfach hinters Licht zu führen.

warum die Zeit nicht existiert:

„Zeit“

von alt- bzw. mittelhochdeutsch zīt: Tages- und Jahreszeit, Lebensalter.

Verwandtschaft mit dem indogermanischen dā(i) [vgl. auch engl. time]: teilen, zerschneiden.


In beiden Begriffen steckt die Vorstellung einer unterteilenden und gliedernden Qualität der Zeit. Dieser Gedanke setzt zugleich die Existenz eines übergeordneten Phänomens voraus, das von der Zeit unterteilt und geordnet werden kann. Dieses Phänomen muß seinem Wesen nach zeitenthoben sein. Seine Existenz ist eine allen Kulturen und Epochen vertraute Vorstellung.


Diese zeitenthobene Ebene ist unter verschiedenen Namen bekannt, wird aber immer als wahre, reine Wirklichkeit bezeichnet im Gegensatz zur menschlichen Erfahrungsebene von Raum und Zeit - die nichts als eine Illusion darstellt. Platos "Reich der Ideen", die mittelalterliche göttliche "Ewigkeit" oder Newtons Begriff der absoluten Zeit sind Beispiele für die Vorstellung einer zeit-freien Ebene, die dem Menschen (wenn überhaupt) nur über die Ebene der Zeitlichkeit erfahrbar wird.

"... was Zeit ist wissen wir alle. Sobald wir aber den Versuch machen, uns über das Zeitbewusstsein Rechenschaft zu geben, [...] verwickeln wir uns in die sonderbarsten Schwierigkeiten, Widersprüche und Verworrenheiten.", sagt Herr Husserl (und ausnahmsweise verstehe ich ihn).

Zeit - im Alltagsdenken existiert z.B. die Vorstellung ihrer Dreiheit (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), gemeinsam mit den geistigen Handlungen des Erinnerns bzw. Sich-Vorstellens.

Aber wir können uns nur von einem gegenwärtigen Augenblick aus erinnern. Ebenso passiert die Vorstellung des Zukünftigen im Jetzt. Vergangenheit und Zukunft existieren also nicht, einzig die Gegenwart ist immer.



Die Zeit-Psychologie nennt 5 elementare zeitliche Erlebnisse: Gleichzeitigkeit, Ungleichzeitigkeit, Aufeinanderfolge, Gegenwart und Dauer. Wie entstehen diese Erlebnisse?

Verschiedene Wahrnehmungen werden im Gehirn in einem Rhythmus von etwa 3 Sekunden gebündelt. Es wird angenommen, dass dieser Rhythmus für alle Menschen (unabhängig von Epoche und Kultur) gültig war und ist. Die innerhalb von 3 Sekunden aufgenommenen Informationen bilden die Grundlage dessen, was wir "Augenblick" oder "Gegenwart" nennen. Die oben genannten elementaren Zeiterlebnisse entstehen dadurch, dass verschiedene Integrationsmechanismen (z.B. das Gedächtnis) die unzähligen "Jetzt-Bündel" in Beziehung zueinander stellen.

Damit zeigt sich, dass das Phänomen Zeit beständig durch geistige Vorgänge im Menschen aufs Neue "errichtet" wird und daher (aus psychologischer Sicht) keine objektiv gegebene Größe sein kann. Aber das wussten wir ja schon.

...und warum es sie trotzdem gibt:

Gehen wir also davon aus, dass "die" Zeit an sich nicht existiert. Sie ist nichts, was objektiv gemessen, zerteilt und beschrieben werden kann.

Der Akt des „Zeitens“ allerdings stellt den Grundmodus menschlichen Daseins, menschlicher Erkenntnis und Wahrnehmung dar.

Sieh dir die Bilder an:





Die Tatsache, dass du erkennst, warum es sich handelt; dass du die Bewegung der Wassertropfen in Raum und Zeit rekonstruieren und die Figur in Raum und Zeit verorten kannst, sind Ergebnisse des Vorgangs des Zeitens in deiner Wahrnehmung. Die Tatsache, dass du versuchst, meiner Argumentationskette zu folgen, ist ebenso ein Ergebnis davon. Etc. etc.

Unsere Daseinsform ist zeitlich.

... und was sollen wir jetzt damit?

Zeiten ist eine Form der Selektion und Zusammenstellung - das zeigt bereits die Herkunft des Wortes. Die Zeit schöpft beständig aus einem übergeordneten Pool unbegrenzter Möglichkeiten; unbegrenzten Potentials.

Unser Ziel kann es sein, uns der Subjektivität unseres Zeitens in jedem Augenblick bewusst zu werden. Wir können im Gegenteil dazu nur Zeitlichkeit als einzige Existenzebene anerkennen.

Unser Ziel kann es sein, uns immer wieder von jenen Ideen loszusagen, die mit dem Konzept des Zeitlichen einhergehen und uns versklaven.

Unser Ziel kann es sein, immer wieder über die Zeitlichkeit unseres Wesens hinauszuwachsen und in den Pool der Zeitentbundenheit zurück zu springen, dem wir entwachsen sind.

Die Betonung liegt auf immer wieder, weil wir trotz allem in eine Welt zurück kehren, in der Zeitlichkeit eine Rolle spielt - ob wir nun auf einer Alm Schafe hüten oder uns durch den Asphaltjungel bewegen.

Ich behaupte nicht, dass es unmöglich ist, auf Dauer im ewigen Jetzt zu leben. Aber ich möchte ehrlich bleiben und einen Post über die Zeit nicht mit einem 'Lebe im Augenblick!' schließen. Selbst wenn ich der Botschaft dieser Aussage zustimme - sie wahrhaftig umzusetzen bedarf jahre- vielleicht lebenslanger Ubung.

Es hält mich nichts davon ab, es zu versuchen. Statt meiner Zeitlichkeit jedes Mal eins überzubraten, wenn ich sie in flagranti erwische; statt mich darüber zu ärgern, der Illusion der Zeit wieder in die Falle getappt zu sein ...

... könnte ich sie als Sprungbrett nutzen, um mitten ins Jetzt zu springen. Ich könnte in ihrem wandelnden Spiel das Unveränderliche in allem erblicken.

Um dann auf den "wake up" den "wake down" folgen zu lassen; also die Erfahrung der Zeitlosigkeit in mein zeitliches Bewusstsein zu rufen. Ihr einen Platz einzurichten von dem aus sie wirken kann.

Das grenzenlose Vergnügen, sich aus eigener Kraft zu entfalten und und zu befreien! Vielleicht haben wir uns hier auf der Erde aus reinem Spaß den Schleier der Zeit vor die Augen gebunden - um immer wieder mit dem größten Vergnügen entdecken zu können, was dahinter liegt.


Ich weiß nicht, ob ihr noch hier seid, aber ich hatte Spaß!


Blog-Titel aus: Hannes Hüttner, Das Blaue vom Himmel.