Samstag, 2. August 2008

i've moved

I've moved to my new blogging home Lily Lotus WillowTree.

My blog will remain in German. I've added a new section in English, though, in the 'Lotus' category -> Journey of Yoga. It's a weekly journal about, well - my Yoga practice...

Meet you there!

Sonntag, 13. Juli 2008

es wird zeit

Liebe Leute,

ich habe meine Koffer gepackt und bin umgezogen. Ich lasse auch gleich meinen Namen hier liegen.

Schon seit längerem hat mich die Unübersichtlichkeit bei bloggers ein wenig in die Enge getrieben. Für meine Zwecke - nämlich hier zugleich meine yogischen Erfahrungen und alles andere in meinem Leben festzuhalten - sind die Möglichkeiten hier zwar schön, aber begrenzt.

Ja, natürlich - alle Dinge sind eins. Warum ich sie auf meinem neuen Blog trotzdem trennen möchte? Weil auch Bücher Kapitel haben und ich möchte, dass sich jeder raussuchen kann, worauf er Lust hat. Also: Links oder Tagebuch oder Buchrezensionen oder ... Ihr versteht schon.

Vielleicht aber ist es auch einfach was die Chinesen sagen: regelmäßig Umziehen ist gut für die Gesundheit.

Also, auf Wiedersehen!

Lily Lotus WillowTree

(Achtung, die Seite muckt im Explorer aus mir unerfindlichen Gründen ein klein wenig. Wer Firefox hat, wende dieses an...)

Montag, 7. Juli 2008

wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin? und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen.

Die Geschichten, die ich mir gerne über meinen Lebensweg und den anderer erzähle, sind eine Zusammenstellung von Erinnerungsfetzen, Glücksmomenten und Lernvorgängen. Es sind komprimierte Fassungen willkürlich ausgewählter Episoden, jederzeit beliebig neu zusammen zu stecken und neu zu erzählen.

Die Geschichten, die ich mir aus meinen Lebenswanderungen schreibe - was sind sie? Während ich meinen Weg gehe, stellt sich mir die Frage nach Weisheit und Wahrheit. Darüber möchte ich heute schreiben.

Obwohl an diesen Geschichten genauso wenig wirklich "Ich" ist, wie an "meinen" Gefühlen und "meinem" Körper, so sammle ich unterwegs dennoch etwas, das ich Weisheit nennen möchte und das mir manchmal erst im Rückblick - im Erzählen der Geschichte - gänzlich ersichtlich wird.

Gerade noch dachte ich, dass ich die Weisheit aufsammle, entlang des Weges. Aber - vielleicht bin ich keine Wanderin. Vielleicht stehe ich nur da während ich in die Weisheit hineinwachse, sie einatme und immer mehr in ihr ruhe ... wie ein Baum.

Bäume entfalten sich in der Wahrheit ihrer Existenz und der Tatsächlichkeit der Dinge um sie herum. Was sie zu geben haben, ist Weisheit. Ich kann getrost sagen: was immer ein Baum mir erzählt hat wenn ich die Tollkühnheit besaß, ihn zu fragen, war weise und wahr. Ratschläge aus den Baumkronen oder dem Bauch der Erde sind von einer Gewissheit durchströmt, die ihresgleichen sucht.

Und warum gestehen sich Menschen so wenig davon zu?

Vielleicht aus vorausahnender Vorsicht? - kommt einer anmarschiert um triumphierend die Flagge der einzigen und allgemeingültigen Wahrheit zu schwingen, lässt die Nachhut der engen Herzen und Stirnen meist nicht lange auf sich warten. Aber das Gegenteil - die totale Beliebigkeit - scheint mir auch kein Banner zu sein, unter dem es sich gut stehen oder gehen lässt. Um mich deutlich auszudrücken - es geht mir nicht darum, ob Herr X sein Ei lieber mit dem Messer oder dem Löffel aufschlägt. Unter Beliebigkeit verstehe ich, dass mir Lebensgewohnheiten und Denkmuster als "Freiheit" verkauft werden, die Schaden zufügen. Der wiederum wird proper unter den Teppich - pardon, die Flagge - gekehrt.

Das kann mich verrückt machen an dieser Welt; die vorgegaukelte, verlogene Freiheit, alles tun, lassen und denken zu dürfen, was ich will. (Und ich weiß, dass mir 'die Welt' damit nur meine eigene Unsicherheit zuspielt...) Der natürliche Drang nach Glück und persönlicher Befreiung wird in gut anzuzapfenden Bahnen begradigt, und hast-du-nicht-gesehen ist der drängende Mensch zur seichte Gewässer entlang schippernden Strohpuppe mutiert. Der daraufhin lernt, das lichterlohe Brennen mit dem Licht persönlicher Aufgeklärtheit zu verwechseln.

Ursprünglich ist dieses Konzept von persönlicher Freiheit ja schön und gut. Ich möchte leben und leben lassen. Ich muss mich nicht über die vermeintliche Kleinkariertheit der einen ärgern, die scheinbare Dummheit der anderen verurteilen und mich dazwischen, während ich im Saft meiner wütenden Dogmatik vor mich hin brate, immer wieder mit Weihrauch besprenkeln. Denn obwohl ich auch das bisweilen fast schon als Sport betreibe (weil es sich so verführerisch anfühlt und Gelegenheiten dazu reichlich nachwachsen, wenn ich es will), ist es nicht gut für mein Herz, meinen Seelenfrieden und meine Entwicklung. Das ist zumindest meine Weisheit. Also, Schuhe geschnürt, und hinauf den Berg der glückseligen Gelassenheit und liebenden Neutralität.

Was ich also gerne können würde, ist ganz und gar, und aus vollem Herzen, jedem Wesen seinen Weg, seine Weisheit und seine Lernaufgaben zugestehen. Mir eingestehen, dass ich nach meiner Wahrheit suchen muss, nach dem was mich nährt und dem was mich unfrei macht. Basta.

Immer wieder aber, wenn ich meine heimelige Klause verlasse und mich gänzlich hinüber in die Welt der Menschen wage (das passiert etwa 4 Mal die Woche), überfällt mich das unangenehme Gefühl, dass die ganze Sache mit dem Wertepluralismus gar nicht der Befreiung dient, sondern der Zementierung von Lebensweg-Geschichten, der Untätigkeit, Gleichgültigkeit und der Verfremdung. Denn neben dem glückseligen Dahinschippern haben wir auch gelernt, einander nicht auf unser Strohpuppen-Dasein anzusprechen. "Jedem Tierchen sein Plaisierchen."

Höchst beeindruckend finde ich da Menschen, die mir gradeheraus sagen können, dass ich schädlich handle und denke; dass die zugrundeliegende Wahrheit des Lebens eine andere ist, als das wonach ich hetze; dass auch ich eine Puppe geworden bin ... und die dabei nicht mit Flaggen wehen müssen. Menschen die sich zugestehen, fehlbar zu sein und dennoch Wahres verbreiten zu können; Menschen, die nicht Recht haben müssen und gerade deshalb recht sprechen. Menschen, die so rein und unverhaftet sind, dass sie die gesamte Skala ihrer Emotionen, Erfahrungen und Talente zu spielen vermögen, um einer tief wurzelnden Lebenswahrheit eine Ausdrucksmöglichkeit zu bieten.

Menschen schließlich, die sich selbst überflügeln, um der Lebendigkeit und Freiheit aller zu dienen.
Titel: Zitat von Kurt Marti

Sonntag, 22. Juni 2008

was neues...

... war es für mich mit Sicherheit, beim Ticketverkauf während eines Festivals aufgrund meiner Hautfarbe beleidigt zu werden. Von einem Schwarzen. Rassismus verkehrt herum, sozusagen.

Ich gebe zu, ich war vollkommen überrumpelt, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte, dass Hautfarben noch lange nichts über Gesinnungen aussagen. Und auch, dass Vorurteile und Engstirnigkeit völker- bzw. farb-übergreifende Phänomene sind.

Nun wurde ich aber von kleinauf darauf abgerichtet, Rassismus und seine "Opfer" (schwarz, kaffeebraun oder asiatisch) zu erkennen und mich zugleich der Gruppe von "Tätern" (weiß) zugehörig zu fühlen, so dass mich die Wendung dieses Blatts an einem Punkt traf, an dem ich auf kein erlerntes oder erlebtes Wissen zurückgreifen konnte. Ich war - mundtot. Und musste lachen (was mein Gegenüber wohl in der Annahme bestärkt haben muss, ich sei eine hinterfotzige, betrügerische Weiße).

Ich wurde noch nie wegen meiner Haut und ihrer Farbe kategorisiert, schubladisiert oder mit Etiketten beklebt. Bin also ein vollkommen unbeschriebenes Blatt. An meiner Reaktion erkenne ich am eigenen Leib das wirklich Hintertückische des Rassismus': er untergräbt das Identitätsgefühl, zerstört die Empfindung eines grundsätzlichen In-Ordnung-Seins und schlussendlich verpflanzt er Scham und Schuld in das System eines Menschen.

Ich reagierte folgendermaßen: zunächst Empörung. "Wie kann der nur so über mich reden, nur weil ich so aussehe, er kennt mich nicht!" Dann - einlenken. "Wenn ich zurückschimpfe, dann... und überhaupt, wie sieht das aus, wenn ich hier mit einem schwarzen Mann streite, noch dazu einer, der so schreit." Dann - Scham. "Ich bin weiß. Ich gehöre zu jenen, die das System so gestalten, dass dieser Mann verbittert." Dann - Schuld. "Ich bin weiß. Und ich tue nicht genug." Dann - Aufbäumen. "Was hier passiert, ist nicht richtig." Dann (das Gift sickert nach): "Er hat Recht. Ich habe vermutlich den Fehler begangen, den er mir unterstellt. Und wenn ich mich umsehe, dann sind viele Weiße tatsächlich so, wie er behauptet. Und für sie schäme ich mich, weil ich eine von ihnen bin."

Ich weiß nicht, warum mich das so aufwühlt - es ist ja nicht das erste Mal, dass mein Empfinden von mir selbst von außen angegriffen und in Frage gestellt wird. Vielleicht liegt es am Thema Haut - deren Farbe kann ich ja nun wirklich nicht ändern (ja, gut, weil ich nicht ins Solarium gehe etc.). Wegen meiner Haut angegriffen zu werden, hat mich mit Gefühlen des Ausgeliefertseins und der Machtlosigkeit bekannt gemacht, denen ich so noch nicht begegnet bin. Vielleicht weil Haut etwas so öffentlich-intimes zugleich ist, weil sie meine grobstofflichen Grenzen, mein Territorium bestimmt ... Ich weiß es nicht.

Danke jedenfalls dem "Täter".

Mittwoch, 18. Juni 2008

ein paar gedanken zu wandel und dauer

Meine Freunde haben sich wieder über den Erdball verteilt. Es fällt mir nicht schwer, die Menschen loszulassen. Aber die Gemeinschaft, die an einem Ziel gearbeitet hat, ist wieder verstreut. So soll es sein - und trotzdem fühlen wir uns alle plötzlich sehr klein; sehr allein.

Ungewisse Phasen lösen bei mir einen Mechanismus aus, der mich alle Antennen ausfahren lässt und alarmbereit hält. Ich befinde mich dann in einem Niemandsland zwischen totaler Aufmerksamkeit, Kopflosigkeit und Erwartung. Ich warte, welche Türe sich öffnen wird (bis jetzt lag hinter dem Nebelschleier immer nur Gutes) und in der Zwischenzeit suche ich mir etwas zum Festhalten.

In diesen Phasen erfahre ich besonders deutlich alle meine Tugenden und noch nicht integrierten Schattenseiten nebeneinander. Ich entfalte unglaubliche Disziplin, Stärke und Wachsamkeit und im selben Maße steigt die Unruhe und Raserei in meinem Geist. Oder vielleicht nehme ich einfach nur verstärkt wahr, dass ich kaum etwas mit ganzer Hinwendung mache; ... dass ich drei Runden Spider-Solitär spiele während der Browser lädt; auf der Uni ans Essen denke, während dem Essen ans Üben denke, und während dem Üben an die Erlagscheine.

Während ich ungekannte Geduld aufbringe und mich in Demut übe, vergleiche ich mich mit anderen; lande höher oder tiefer auf dem gedachten Podest; bin in einem Augenblick die Königin der Welt, im nächsten zu nichts nütze. Im einen Moment gebe ich nach und lasse los; im Nächsten klage ich an, schimpfe, suche.

Ich genieße den Prozess; die Wogen sind das Einzige, woran ich mich festhalten kann. Anscheinend weiß ich mit handfesten Krisen, Angst, Scham oder Panik besser umzugehen, als mit monotoner Abgestumpftheit, in der es mir weder richtig gut noch richtig schlecht geht.

Und Yoga erweist sich wieder einmal als mein Anker, mein Kompass und mein Schiff zugleich. Es erstaunt mich selbst, dass sich meine Praxis immer weiter vertieft. Im Laufe der Monate und Jahre nimmt die Fruchtbarkeit dieses Bodens nicht etwa ab - und ich erkenne mit der größten Freude, dass inmitten meines Lebens einen Pol von lebendiger Dauer gewachsen ist, der sich beständig ausweitet.

Ich bin ein flatterhafter Mensch, lebe ein bisschen im Wettstreit mit mir selbst und lege mir gelegentlich Steine in den Weg, nur um drübersteigen zu können. In mir liegt eine Furcht, nichts entdecken zu können, abzustumpfen oder zu versacken. Eine Furcht davor, der Strom des Lebendigen könnte versiegen, oder davor, den Weg zur Quelle nicht zu finden. Was mich gelegentlich antreibt, ist die Scham, nicht zu genügen. Was mich zurückhält, die Angst, falsche Schritte zu wagen.

Denn eine Qualität von Dauer habe ich in mir und in meinem Umfeld (bis vor einigen Jahren) nur selten erlebt. Ich meine mit "Dauer" einen beständigen Fluss neutraler Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen, der von Egos, Raum oder Zeit nicht unterbrochen werden kann.

Ich war mir auch der Bedingungslosigkeit solcher Dauer nicht bewusst. Dass sie tatsächlich auch dann besteht, wenn ich ganz aus meiner Mitte gerate und so gar keine Yogini bin.

Und nun finde ich beide Seiten vereint; die Bewegung und die Dauer: Ich stelle nicht nur fest, dass mich eine Sache nach langer Zeit immer noch immer weiter überraschen, anziehen und befriedigen kann. Ich freue mich an dem stabilen Gefährt, das ich mir gebaut habe und mit dem ich bis jetzt sicher unterwegs bin.

Ich bin dankbar und freue mich über die Zuversicht und Lebendigkeit, mit der ich die scheinbar leere Seite aufschlagen kann.

Die nächsten Wochen werden voraussichtlich ebenso turbulent, wie die vergangenen. Der Umbau in meinem Innenleben führt zu schöpferischer Leere auf meinem Blog. Ich brauche viel Zeit - ich hoffe, ihr harrt mit mir aus.

***

Im Traum heute Nacht spreche ich mit einem Mädchen. "Die Guten bekommen nicht den einfachen Weg. Die Guten gehen den Berg hinauf." Ich sehe Sam, der Frodo den Berg hinaufschleppt - nicht wie in Jacksons Verfilmung - mein eigenes Kopfkino. Das fällt mir ein, als ich heute einen Hügel hinauf radle. Muss schmunzeln.

Montag, 9. Juni 2008

zurück in die zukunft

Bin z.Z. in einer Zeitschleife gefangen!

Nach einem Jahr wieder in Schweden, wo ich 2006/07 studiert hab.

Liebe Leser, es ist verwirrend.

Habe das Gefühl, als wäre das Jahr dazwischen nicht passiert: möchte Gebäude betreten, als würde ich immer noch drinnen arbeiten, wohnen oder studieren...

Ich kann sogar noch auf Schwedisch zählen!

Mittwoch, 21. Mai 2008

du nimmst das ei und kochst es. wenn es hart ist, sind fünf minuten um. dann weißt du, dass die zeit vergangen ist.


Dieser Post ist eine Fortspinnung der Gedanken in
Anujas Blog-Eintrag über die Zeit. Er soll keine Definitionen über die Zeit liefern, sondern zusammenfassen, was mir zur Zeit (im doppelten Sinne des Ausdrucks) durch den Kopf geht. Meine vorrangige Absicht ist es, Verwirrung zu stiften. Obwohl meine Überlegungen so etwas wie wissenschaftlicher Recherche entspringen, behalte ich mir vor, mich zu irren, zu täuschen, Kraut und Rüben durcheinander zu würfeln oder euch einfach hinters Licht zu führen.

warum die Zeit nicht existiert:

„Zeit“

von alt- bzw. mittelhochdeutsch zīt: Tages- und Jahreszeit, Lebensalter.

Verwandtschaft mit dem indogermanischen dā(i) [vgl. auch engl. time]: teilen, zerschneiden.


In beiden Begriffen steckt die Vorstellung einer unterteilenden und gliedernden Qualität der Zeit. Dieser Gedanke setzt zugleich die Existenz eines übergeordneten Phänomens voraus, das von der Zeit unterteilt und geordnet werden kann. Dieses Phänomen muß seinem Wesen nach zeitenthoben sein. Seine Existenz ist eine allen Kulturen und Epochen vertraute Vorstellung.


Diese zeitenthobene Ebene ist unter verschiedenen Namen bekannt, wird aber immer als wahre, reine Wirklichkeit bezeichnet im Gegensatz zur menschlichen Erfahrungsebene von Raum und Zeit - die nichts als eine Illusion darstellt. Platos "Reich der Ideen", die mittelalterliche göttliche "Ewigkeit" oder Newtons Begriff der absoluten Zeit sind Beispiele für die Vorstellung einer zeit-freien Ebene, die dem Menschen (wenn überhaupt) nur über die Ebene der Zeitlichkeit erfahrbar wird.

"... was Zeit ist wissen wir alle. Sobald wir aber den Versuch machen, uns über das Zeitbewusstsein Rechenschaft zu geben, [...] verwickeln wir uns in die sonderbarsten Schwierigkeiten, Widersprüche und Verworrenheiten.", sagt Herr Husserl (und ausnahmsweise verstehe ich ihn).

Zeit - im Alltagsdenken existiert z.B. die Vorstellung ihrer Dreiheit (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), gemeinsam mit den geistigen Handlungen des Erinnerns bzw. Sich-Vorstellens.

Aber wir können uns nur von einem gegenwärtigen Augenblick aus erinnern. Ebenso passiert die Vorstellung des Zukünftigen im Jetzt. Vergangenheit und Zukunft existieren also nicht, einzig die Gegenwart ist immer.



Die Zeit-Psychologie nennt 5 elementare zeitliche Erlebnisse: Gleichzeitigkeit, Ungleichzeitigkeit, Aufeinanderfolge, Gegenwart und Dauer. Wie entstehen diese Erlebnisse?

Verschiedene Wahrnehmungen werden im Gehirn in einem Rhythmus von etwa 3 Sekunden gebündelt. Es wird angenommen, dass dieser Rhythmus für alle Menschen (unabhängig von Epoche und Kultur) gültig war und ist. Die innerhalb von 3 Sekunden aufgenommenen Informationen bilden die Grundlage dessen, was wir "Augenblick" oder "Gegenwart" nennen. Die oben genannten elementaren Zeiterlebnisse entstehen dadurch, dass verschiedene Integrationsmechanismen (z.B. das Gedächtnis) die unzähligen "Jetzt-Bündel" in Beziehung zueinander stellen.

Damit zeigt sich, dass das Phänomen Zeit beständig durch geistige Vorgänge im Menschen aufs Neue "errichtet" wird und daher (aus psychologischer Sicht) keine objektiv gegebene Größe sein kann. Aber das wussten wir ja schon.

...und warum es sie trotzdem gibt:

Gehen wir also davon aus, dass "die" Zeit an sich nicht existiert. Sie ist nichts, was objektiv gemessen, zerteilt und beschrieben werden kann.

Der Akt des „Zeitens“ allerdings stellt den Grundmodus menschlichen Daseins, menschlicher Erkenntnis und Wahrnehmung dar.

Sieh dir die Bilder an:





Die Tatsache, dass du erkennst, warum es sich handelt; dass du die Bewegung der Wassertropfen in Raum und Zeit rekonstruieren und die Figur in Raum und Zeit verorten kannst, sind Ergebnisse des Vorgangs des Zeitens in deiner Wahrnehmung. Die Tatsache, dass du versuchst, meiner Argumentationskette zu folgen, ist ebenso ein Ergebnis davon. Etc. etc.

Unsere Daseinsform ist zeitlich.

... und was sollen wir jetzt damit?

Zeiten ist eine Form der Selektion und Zusammenstellung - das zeigt bereits die Herkunft des Wortes. Die Zeit schöpft beständig aus einem übergeordneten Pool unbegrenzter Möglichkeiten; unbegrenzten Potentials.

Unser Ziel kann es sein, uns der Subjektivität unseres Zeitens in jedem Augenblick bewusst zu werden. Wir können im Gegenteil dazu nur Zeitlichkeit als einzige Existenzebene anerkennen.

Unser Ziel kann es sein, uns immer wieder von jenen Ideen loszusagen, die mit dem Konzept des Zeitlichen einhergehen und uns versklaven.

Unser Ziel kann es sein, immer wieder über die Zeitlichkeit unseres Wesens hinauszuwachsen und in den Pool der Zeitentbundenheit zurück zu springen, dem wir entwachsen sind.

Die Betonung liegt auf immer wieder, weil wir trotz allem in eine Welt zurück kehren, in der Zeitlichkeit eine Rolle spielt - ob wir nun auf einer Alm Schafe hüten oder uns durch den Asphaltjungel bewegen.

Ich behaupte nicht, dass es unmöglich ist, auf Dauer im ewigen Jetzt zu leben. Aber ich möchte ehrlich bleiben und einen Post über die Zeit nicht mit einem 'Lebe im Augenblick!' schließen. Selbst wenn ich der Botschaft dieser Aussage zustimme - sie wahrhaftig umzusetzen bedarf jahre- vielleicht lebenslanger Ubung.

Es hält mich nichts davon ab, es zu versuchen. Statt meiner Zeitlichkeit jedes Mal eins überzubraten, wenn ich sie in flagranti erwische; statt mich darüber zu ärgern, der Illusion der Zeit wieder in die Falle getappt zu sein ...

... könnte ich sie als Sprungbrett nutzen, um mitten ins Jetzt zu springen. Ich könnte in ihrem wandelnden Spiel das Unveränderliche in allem erblicken.

Um dann auf den "wake up" den "wake down" folgen zu lassen; also die Erfahrung der Zeitlosigkeit in mein zeitliches Bewusstsein zu rufen. Ihr einen Platz einzurichten von dem aus sie wirken kann.

Das grenzenlose Vergnügen, sich aus eigener Kraft zu entfalten und und zu befreien! Vielleicht haben wir uns hier auf der Erde aus reinem Spaß den Schleier der Zeit vor die Augen gebunden - um immer wieder mit dem größten Vergnügen entdecken zu können, was dahinter liegt.


Ich weiß nicht, ob ihr noch hier seid, aber ich hatte Spaß!


Blog-Titel aus: Hannes Hüttner, Das Blaue vom Himmel.

Samstag, 26. April 2008

ich bin die, die deinem essen das essen weg isst

Esse seit über einem Jahr fleischlos. Konnte mir in Schweden kein gutes Fleisch mehr leisten. Und bin einfach dabei geblieben.

"Da hast du eh aus einem guten Grund aufgehört", sagt die Freundin, "nicht wegen so einem Blödsinn wie - dass dir die armen Tiere Leid tun!"

Ja - Mitgefühl zählt nix! Dass es viel Blut und Leid kostet, dass mich die Wurst aus meiner Semmel anlachen kann, war mir egal. Erst als sie mich zuviel gekostet hat, hab ich ihr Adieu gesagt.

Heute aber, mit der nötigen Entfernung, kann ich mir eingestehen, dass mir die armen Tiere schon Leid tun und dass ich sie auch deshalb nicht mehr esse. Ich kann es auch wagen, gut hinzuhören, wenn ich am Schlachthaus vorbeigehe.

Mit der nötigen Entfernung erscheint es mir immer absurder, Fleisch zu essen. In mein Leben passt das nicht mehr. Vielleicht hat es mit dem Yoga zu tun - auch andere berichten, dass sich ihre Praxis irgendwann bis zum Teller erstreckt hat.

Ja, wir sind schon Gutmenschen!

Ich weiß übrigens, dass auch das Gemüse für mich sterben muss. Die Frage, ob es dann überhaupt sinnvoll ist, sich über die Wertigkeit von getötetem Getier und Gemüse den Kopf zu zerbrechen, werde ich hier trotzdem nicht zu beantworten versuchen.

Tatsache ist, dass es einen unendlichen Aufwand bedeutet, dass heute jeder Westler täglich und zu Spottpreisen Fleisch konsumieren darf. Zusätzlich zum Menschen müssen Tiere ernährt werden.

Es muss auch niemand darüber aufgeklärt werden, wie diese Tiere ihr Leben verbringen.

Diese Tatsache erschüttert aber in etwa so stark, wie die schwarz-weißen Aufschriften auf den Zigarettenpackungen wirksam sind.

Das Fleisch auf dem Teller kommt mit einem ganzen Rattenschwanz an Ideologien und Vorstellungen daher. Es ist gesund. Es macht stark. Und das Protein brauchen wir auch. Hätte ich anders als aus Zufall mit dem Steak Schluss gemacht? Nein. Zu groß wäre die Verunsicherung gewesen. Der Verzicht! Und was soll ich dann noch kochen und essen?!

Aber so bin ich eines Tages aufgewacht und habe festgestellt, dass ich seit Monaten unglaublich gut esse. Ohne Fleisch. Wie konnte das geschehen?

Also - seht ihr, ich bin nicht gefühlsduselig. Ich lasse mich nicht von den Berichten über die armen Schweine, über die armen Kälber, über die armen Hühner und die leergefischten Meere überzeugen. Bei mir fanden nur monetäre Argumente Gehör. Damit komme ich auch bei den Fleischessern sehr gut an. Die haben nämlich nicht das Gefühl, dass ich ihnen ein schlechtes Gewissen machen will. Sie hören mir zu und dann, ganz hinterhältig, schlage ich zu!
Es geht ja nicht um das Fleisch. Es geht um alle Dinge, die wir uns auf unsere Teller wuchten. Viel zu oft. Viel zu viel. Und von diesem vielen und reichlichen Verzehren bemerken wir nichts, weil es vor dem Fernseher passiert, oder dem PC, oder auf der Straße. Warum brausen sie dann alle so auf, wenn man Verzicht vorschlägt? Warum nahm ich so selbstverständlich hin, dass ein Lebewesen tatsächlich leiden muss, damit ich es essen kann?
Würde ich eine Tomate vom Strauch nehmen? Würde ich so ohne weiteres mein Schnitzel schlachten, meine Hühnerbrust rupfen? Einmal vielleicht. Aber so oft wie es nötig wäre, damit ich jeden Tag so essen kann? Es gibt einen Grund, warum an abgeriegelten, vermauerten, versteckten Orten geschlachtet wird.
Warum bin ich mir sicher dass es schräge Blicke hageln würde, würde ich öffentlich meine Dankbarkeit (auch der Erde gegenüber) aussprechen für das, was vor mir am Teller liegt?
Es ist ja letztendlich wurscht, ob jemand aus Mitgefühl aufs Tier verzichtet, wenn er kein Mitgefühl für das hat, was das Tier hervorgebracht hat: die Erde. Denn woher sie ihre Nahrung nimmt, um uns zu ernähren, ist uns schnurz. Die Würmer, Insekten, Bakterien und Pflanzen, die sie so dringend braucht, um gesund und nährstoffreich zu bleiben, interessieren gemeinhin niemanden. Die werden ausgerissen, niedergespritzt, weggegiftet.
Schlussendlich geht es bei einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Essen darum, zu erkennen, was den Esser langfristig am Leben erhält. Es geht um die Frage, ob ich bereit bin, auch selbst lebensfördernd zu handeln. Es geht um die Erkenntnis von Kreisläufen; den Willen, Kreisläufe zu schließen durch die Erde ernährendes Handeln; den Mut, der eigenen Gier ins Gesicht zu blicken.

Mittwoch, 23. April 2008

den kopf in den wolken

Ist mir doch wurscht, wenn das ein zuckersüßer Eintrag wird! Ich wollte eigentlich über den Ernst des Lebens berichten, als mich der Wattebausch der Romantik unerwartet am Hinterkopf traf. Also schnell eine 180 Grad-Wende um meiner Laune Ausdruck zu verschaffen. Hach! Denn um ehrlich zu sein: es wäre alles nur halb so lustig ohne dieses Etwas, das echtes Leben filmreif macht:

Die erste Fahrt über die nächtlichen Champs-Elysée: in einem ausrangierten Einkaufswagen. Sieben Jahre alt.

Elfen sehen und Rond-Bidons jagen, die sich am Dachboden verstecken.

Vor Sonnenaufgang aufstehen um den Eisvogel zu fotografieren.


Das Knistern alter Kleider in alten Kisten, das Schaukelpferd des Ur-Ur-Onkels daneben.

Die Füße im Hallstätter See, Bergpanorama.

Die Zigarette, der Sonnenuntergang - allein mit Miles David an einem Fensterbrett im Zentrum von London.

Der liebesbedürftige Esel am Strand von Folegandros.

Die Zugstrecke über den Semmering.


Das neue Jahr auf einer Bergspitze begrüßen.

Der Geruch von Jasmin und Hundescheiße in Grasse, Blumen im Haar.

Die Hochzeit eines Franzosen und einer Rumänin im Lavendelfeld.

Weihnachtslichter auf den sommersprossigen Wangen einer Freundin.

Folgende Umstände:

Kopfsteinpflaster, alte Mauern.

In der Oper weinen.

Die Gesellschaft einer Amsel.

Zu 80 den 80. Geburtstag der Großmutter feiern. Das Festessen!

Grauburgunder, Schwarzbrot, Weinberge.



Noch Vorschläge?

Dienstag, 8. April 2008

von außen betrachtet

Eine Handvoll, oder auch ein paar Dutzend Menschen treffen sich in einem Raum.

Vielleicht kennen sie sich schon lange, vielleicht gar nicht.

Ohne Worte wissen sie, wohin sie sich stellen oder setzen müssen.

Sie nehmen Werkzeuge und beginnen, die Luft zum Schwingen zu bringen.

Es gibt dafür Gesetze. Aber nicht alle sind festgelegt. Und viele wollen neu gefunden werden.

Vielleicht beginnen jetzt einige zu sprechen.

Die Worte sind knapp, präzise, geladen. Die meiste Zeit verbringen die Menschen schweigend.

Das wichtigste Gesetz in diesem Raum lautet "Zuhören".

Freiwillig kehrt jeder sein Innerstes nach außen, verschmilzt mit den anderen. Das alles im Namen der schwingenden, vibrierenden Luft zwischen ihnen.

Wenn es vorbei ist und die Menschen wieder gehen, kennen manche vielleicht noch immer nicht die Namen der anderen.

Trotzdem liegt Wärme und Fürsorge zwischen ihnen; Freundschaftlichkeit.

Das ist es, was mich am Konzept Musik immer wieder so erstaunt.

Sonntag, 16. März 2008

herdentrieb

Eine Gruppe von Forschern der Brüsseler Uni wollte in einem Versuch herausfinden, wie sie das Verhalten eines der widerstandsfähigsten Lebewesens unseres Planeten, der Küchenschabe, nach ihrem Wunsch beeinflussen könnte. Eine Gruppe von 16 Küchenschaben wurde mit 4 Schabenrobotern bekannt gemacht. Diese Roboter waren so programmiert, dass sie sich im Testareal immer in den ausgeleuchteten Bereichen bewegten. Schaben halten sich normalerweise viel lieber in der Dunkelheit auf, aber der Anblick ihrer Roboterartgenossen bewegte sie dazu, deren Verhalten nachzuahmen und ihnen ins Licht zu folgen.


Einen ähnlichen Versuch haben Werbespezialisten vor einiger Zeit in New York gestartet. Die zu beeinflussende Gruppe: die jungen "Hipsters" von Manhattan. Die Roboter: stadtbekannte VIPs. Das Testareal: eine Sitzbank vor der wichtigsten New Yorker Filiale von American Apparel. Was die "Roboter" taten: jeden Samstagabend auf der Bank verbringen - rauchend, trinkend, redend, etc. Aus "Der Bank" wurde eine hippe Alternative zu den Clubs und Bars der Umgebung. Bald machten Medien auf das Phänomen "The Bench" aufmerksam und die kleinen Küchenschaben folgten den Trend-Vorreitern ins Licht der Straßenbeleuchtung.


Quelle: adbusters - Magazin
MySpace Seite von The Bench

Dienstag, 4. März 2008

innenräume - svadhyaya

svadhyaya

Studium, Untersuchung, Erforschung des zu mir Gehörigen; nahe an etwas herantreten; Betrachung


Einer der fünf Niyamas, Qualitäten der persönlichen Entwicklung.







Wir hatten in Schweden einen riesigen Kühlschrank mit einer Unzahl von Magneten, der von einem der Mädchen zur offiziellen Pinwand erklärt wurde. Jede Woche sollten wir da den momentanen Stand unserer Lebensweisheit festhalten. Etwas Tiefsinniges sollte es sein, also kritzelte ich irgendwann 'Your breath is a doctor' auf ein Post-it und klebte es zwischen die Stundenpläne. Die Botschaft war vorrangig als Aufmunterung an mich gedacht. Von den anderen wurde der Zettel schräg angeschaut, fiel dann auch bald ab und wurde in den Müll gekehrt; hat sich aber interessanterweise für mich in einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung im Laufe der nächsten Monate bewahrheitet.


Wenn sich Menschen/Medien über "Esos" amüsieren, dann wird häufig das Atmen aufs Korn genommen: ein paar tiefe Atemzüge, gütig lächeln, vielleicht ein 'Om' drüber streuen und alles ist wieder eitel Wonne. Zumindest in der Praxis mit der ich vertraut bin - dem Yoga - wird die Bedeutung des Atems gar nicht oft genug unterstrichen. Einige gehen so weit zu behaupten, dass alles außer dem Atem nebensächlich wäre.

Der Atem ist so eine banale Angelegenheit, er 'passiert uns' nebenher. Beim Unterrichten ist mir oft aufgefallen, dass es ein bestimmtes Alter gibt, in dem Kinder (v.a. Mädchen) das natürliche Atmen verlernen, was kaum jemandem auffällt. Sie können einfach nicht mehr in den Bauch atmen. Viele Menschen haben keinerlei Kontrolle über ihren Atemapparat; können Intensität, Dauer und Gleichmaß der ein- und ausströmenden Luft nicht steuern.

Eine Schülerin - sie war 9 - begann von einem Monat zum anderen, den Ton zu pressen und litt beim Spielen plötzlich unter ständiger Atemnot. Sie war sehr aufgeweckt und nahm genau wahr, wie die Verkrampfung ihres Körpers ihr buchstäblich die Luft raubte. Die Tatsache, dass es ihr nicht ohne weiteres gelingen wollte, sich selbst die tiefe Atmung wieder zu erlauben, machte sie rasend. Mit jedem Versuch, eine tiefe Atemwelle durch den Körper zu schicken, brandete diese an einer Hürde (häufig Bauch-Rücken-Muskulatur) und machte ihr damit die innere Eingeklemmtheit deutlich. Tränen der Wut und der Scham waren in diesen Wochen nicht selten. Ich durfte mitverfolgen, welche Herausforderung das Atmen bedeuten kann und wieviel Überwindung und Mut dazu gehören können, sich wieder zu einem heilsamen Atem vor zu arbeiten.





Der Atem ist die ursprünglichste Sprache. Die Callas war legendär, weil sie die Atempausen in die Musik mit einbezog. Verliebte berauschen sich am Atem des Schlafenden an ihrer Seite. Der Atemzug, der uns weitet und dehnt, erfüllt uns und hilft uns, die Begrenzung und Form unseres Körpers im Raum wahrzunehmen. Wir schnauben im Zorn, schnappen im Schrecken nach Luft, seufzen beim Anblick schöner Dinge. Wir atmen tief durch; lösen Sorgen; saugen Wohltuendes ein - alles mit dem Atem.


Atem verbindet. Wir atmen alle dieselbe Luft. Wenn wir gut durchgelüftet sind, reisen Infos leichter durch den Körper - wir denken schneller, sind fröhlicher, scheiden Müll leichter aus. Wir leben, weil wir Luft dazu haben. Wir sprechen zueinander, solange es Puste dazu gibt. Wir kommen auf eine Wellenlänge, wenn wir im Einklang atmen. Eltern hauchen aufgeschlagenen Knien Genesung ein. Wir blasen uns Küsse zu. Über die Luft kommen allerhand unsichtbare Dinge zu uns.

Im Atem liegt tatsächlich der Schlüssel zur Kraft des Menschen. Eben weil er uns jederzeit zugänglich ist; weil niemand darüber nachdenken muss. Es braucht nicht einmal Atempraktiken dazu. Es ist wirklich unerhört einfach. Es kostet nicht einmal Geld.

Ich muss nur aufmerksam sein. Willens, dem Hauch, der mich von Anfang an am Leben hält, zu zu horchen. Was ist in der Zwischenzeit aus ihm geworden? Vielleicht halte ich 30 Sekunden lang die Luft an, um die Freude über meine Lungen wieder zu spüren.


Und es beginnt die Reise - an Orte, die der Atem schmerzlich aufwühlt und an solche, die der Luft mit Glücksgefühlen antworten. Hinein in einen Raum in der Mitte des Körpers, der mit der Zeit immer offener und freier werden wird, an dem ich mich sammeln kann und alles finde, was ich brauche oder wissen will.

Samstag, 16. Februar 2008

wer trotzdem lacht, ist meistens schwarz

NYAME BIRIBI WO SORO - "Gott ist im Himmel"
Adinkra - Symbol der Hoffnung

Vor kurzem im Afrika-Zentrum:

M. hat den ganzen Nachmittag mit Vermietern verhandelt, die eine Nigerianerin unter fadenscheinigen Vorwürfen aus dem Haus ekeln wollen.

H. war mit einem Mann beschäftigt, der über 1000 Euro Schulden bei einem Handyanbieter hat.

R. berät noch eine Frau, deren österreichischer Mann sie mit 3 Kindern sitzen gelassen hat.

S. klärt den Ingenieur über ein paar amtsdeutsche Passagen in seinem Asylantrag auf.

Habe gerade bei der städtischen Stromversorgung eine Ratenzahlung für eine Frau ausgehandelt, der sie kurz vor dem Wochenende Strom und Heizung abschalten wollten.

Ein bisschen müde beugen wir uns über unseren Kaffee, diskutieren einige Fallstricke der österreichischen Bürokratie, verdauen die härtesten Fälle des vergangenen Tages und sinnieren über den Sinn unserer Arbeit. Die Österreicher - an diesem Tag in der Mehrzahl - stimmen, ganz typisch, ihr leises Klagelied über diverse Missstände in ihrem Rechtsstaat an, als plötzlich von der Straße ein unglaublicher Lärm hereinbricht.

Lautes Geschrei (türkisch?), Gepolter, Geknalle - dann urplötzlich Stille. Fragende Blicke in der Runde.

M., Kameruner, Leiter des Zentrums, mit breitem Grinsen und herrlichem Kamfranglais-Akkzent:


"Ah, imma diesä Aus-lända! Die g'hö'n do' raus!"



NKONSONKONSON - "Kettenglied"
Adinkra - Symbol der Einheit und zwischenmenschlichen Beziehungen

Sonntag, 3. Februar 2008

abgetaucht



Wenn sich die sonst scheue Katze zu mir aufs Sofa legt,
die Uhren alle langsamer ticken
und meine Gedanken in irgendeinem Paralleluniversum flanieren,
dann ist Blutzeit!

Ich verkrieche mich in meiner Höhle, Schwestern, und tanke ein bisschen Einsicht bei der Alten...
Demnächst mehr!

Donnerstag, 3. Jänner 2008

penetrationswahn

Aufgrund von Bettlägrigkeit Alice Schwarzers "Kleinen Unterschied" in einem Rutsch durchgelesen.

Über etwas gestolpert, was seit Veröffentlichung unverändert blieb: Penetrations-Wahn.

Ich wusste: die Vagina ist ziemlich gefühlslos.
[Einen Tampon spürt Frau (entgegen aller Männerbefürchtungen/-fantasien) nicht. Und angeblich könnte sie am Hauptteil ihrer Vagina ohne Narkose operiert werden (angeblich...).]

Ich wusste auch: alle Embryonen sind zunächst weiblich. Der Penis ist also eine verlängerte Klitoris.

Und ich wusste auch: die Klitoris ist das empfindlichste Stück der Frau.

Nun wird aus Fakten noch lang kein Wissen. Das ist mir aufgegangen, wieder einmal. Denn kapiert habe ich bis jetzt nicht, dass die Synthese all dieser Fakten lautet:

Das Geschlechtsteil der Frau ist nicht ihre Scheide, sondern ihre Klitoris. Punkt.

Als "richtiger Sex" gilt aber immer noch der "Geschlechtsverkehr", also Penetration.
Alles andere rangiert nach wie vor im Bereich des Vorspiels.

Wenn ichs mir genau überlege, sind doch auch gängige Darstellungen des lesbischen Liebesspiels mit Dildos und allerhand surrenden Phallen bestückt - die doch eigentlich so nötig gar nicht sind.

Wäre (Männern?) vielleicht auch zu beängstigend. Wenn die Homosexuelle schon nicht mit echten Männern schläft - ganz ohne kommt sie doch nicht aus, ha!

Pardon, ich kenne genügend Männer, denen ganz anders wird wenn ich sie bitte, sich doch genau vorzustellen, wie ein anderer Körper in sie eindringt, um dann auf und ab zu fahren, zu stochern, zu hämmern oder zu bohren. Vielleicht ist meine Vorgehensweise nicht ganz fair. Denn wenn ich nachschicke, dass das Ganze durchaus seine Reize haben kann, sind die Armen meist bereits zu verschreckt. Das will also gelernt sein, das mit dem "Jemanden unter die Haut lassen".

Zwischen bloßer Penetration und echtem "Ineinander-Sein" besteht nocheinmal ein großer Unterschied. Die wenigsten, die *gröhl* "ihn reingesteckt haben" gehen auch tatsächlich wirklich unter die Haut.

Die erste Hürde ist schnell genommen, notfalls mit Gewalt, aber die Allerwenigsten wissen, wie sie tatsächlich die verborgensten der verborgenen Kammern einer Frau aufschließen. Und obwohl Frauen ziemlich schnell spüren, wer so ein potentieller Wunder-Wuzzi sein könnte - sie (wir!) lassen trotzdem zu viele in uns ein, als uns gut tut.

Und das schreibe ich auch der Tatsache zu, dass wir "echten Sex" mit Penetration gleichsetzen.

Ich bin grundsätzlich dafür, dass Menschen sexuelle Erfahrungen sammeln. Aber weil Sex so eine heikle Sache ist, wäre eine differenziertere Betrachtungsweise angebracht. Lust entsteht auf viele Weisen, will auf genauso viele Arten befriedigt werden. Der Penetrationswahn beschneidet uns, vielen wird er eine Quelle der Enttäuschung, Frustration, und - ja - ungewollten Schwangerschaft.

Anscheinend kriegen Frauen immer noch nicht genügend Orgasmen, sonst wären den endlosen Kolumnen der Cosmopolitans, Jolies und Belles die Luft ausgegangen.

Ich erinnere mich an Gespräche mit Freundinnen, Freunden - den Druck bei vielen. Und dem wird ja auch weiterhin Futter gegeben - denn würden andere Möglichkeiten (als die Penetration) tatsächlich als gleich- und vollwertig angesehen, hätten wir nicht denselben Stress mit Impotenz, mit angeblich "orgasmusunfähigen" Frauen oder solchen, die einfach nicht feucht genug werden oder von was anderem träumen.

Ich bin eben immer wieder verblüfft, dass wir so ganz und gar unaufgeklärt sind. Alle Naselang wackelt Eine/r mit Po/Brust/Bauch, aber über Lust -
über das Körperuniversum -

wissen wir nix.