Mittwoch, 30. August 2006

Scheissdreck!

Ich liege in der Badewanne, das Wasser ist viel zu heiss.

Bin nicht gluecklich.

Ich kämpfe gegen die Unruhe. Klicke mich durchs Internet, drehe Runden durch die Wohnung, klicke mich durchs Internet, schreibe, lese, liege, laufe, esse... Checke Emails. Schreibe, lese, liege, laufe, esse. Esse. Trinke Kaffee, Tee, Wasser. Esse.

War schon lange nicht mehr so ungluecklich in meinem Körper.
Die letzten Wochen waren geprägt vom Essen (gegen das Fuehlen). Natuerlich reagiert ein Körper auf so etwas. Natuerlich nimmt er zu. Natuerlich ist das nur folgerichtig, logisch und gut von ihm. Mein Kopf gibt ihm die Schuld. Mein Körper sagt mir ganz genau, wo er hin will: in die Schlichtheit, Klarheit, Reinheit. Ich versuche, zu folgen und das Hirn Hirn sein zu lassen. Hinter meiner Stirn ist ein Gewitter - selten, dass ich Kopfweh habe. Ein Zeichen.

Ich war hier schon einmal, ich komme mir ein bisschen vor, wie die Platte, die ein paar Umwindungen weiter wieder hängenbleibt. Aber gut. Ich lerne. Ich raffe mich aus der Rastlosigkeit auf die Matte oder aufs Rad. Arbeite fast täglich etwa eine Stunde daran, mich wieder in die Ruhe, Klarheit und Zuversichtlichkeit zu bewegen. Dann schlag ich alles wieder kaputt mit Essen, Faulheit, Internet. Ich bin sehr diszipliniert beim Ungluecklich-Machen, und genauso beim Gluecklich-Machen. Natuerlich lach ich ueber mich selber. :)

Komm nicht richtig dahinter, was mir das alles sagen will. Will nicht wieder werden und aussehen wie frueher. Will so bleiben wie jetzt. Habe Angst. Angst lähmt. Scheissdreck.

Will nicht mehr denken.
Wuerde sehr gerne mein Hirn an eine Wäscheleine hängen.

Will in der Badewanne liegen und mich schön fuehlen.

Kriege einen Drehwurm. Möchte rausfahren und in den Himmel springen. Aber das Wetter ist dagegen.

Wunsche mir ein Bett, warme Haut und weisse Laken, Zeit: er und ich, stilles Lachen und dahinplätschernde Gespräche ueber ganz unwichtige Dinge: Käseverpackungen, Polsterknöpfe, Selbstauslöser, oder Furzen. Mh.

Freitag, 25. August 2006

dieser kleine blaue ball

Diese ganze Angelegenheit mit dem Aufbau eines neuen Zuhauses fasziniert und beschäftigt mich so sehr, dass ich ueber nichts anderes mehr schreiben möchte. Mir wird einfach nicht langweilig dabei, die vielen Facetten dieses Dings zu entdecken, das wir Heimat nennen.

Was mir in Schweden zu allererst aufgefallen ist, war der weite Himmel. Ich könnte stundenlang aus dem Fenster schauen, ich könnte stundenlang spazieren gehen, ich möchte riesengross werden und die Stirn in die Wolken tauchen. Es scheint hier aber niemandem aufzufallen, dass alle paar Minuten andere Lichtverhältnisse herrschen und dass die Wolken ständig neue Bilder ins Blau malen. Ich kenne das so nicht, ich bin Huegel und Berge gewöhnt - ich wusste einfach nicht, wie der Himmel knapp ueberm Horizont aussieht, weil da immer was davorstand.
In anderen flachen Landschaften werde ich ueblicherweise depressiv, oder zumindest ziemlich traurig. Ungarn: Horror. Niederlande: Panik. Nordfrankreich, kurz vor Paris: Agoraphobie!
Warum funktioniert es hier auf einmal? Was ist der Unterschied? Vielleicht, weil ich mich gezwungen sehe, irgendetwas hier schön zu finden, wenn ich nicht fuer ein Jahr lang ungluecklich sein will?

Ich bin vollkommen verliebt in Lunds Bäume, ich kann es nicht oft genug erwähnen. Es gibt hier so viele verschiedene davon, die meisten sind auch noch richtig alt. Die Stadt selbst ist relativ modern, aber die Bäume schätze ich im Durchschnitt auf mindestens 150 Jahre, also denke ich mir, dass beim Ausbau nicht viel umgeschnitten wurde. Es wirkt teilweise sogar so, als hätte man den Pflanzen hier ebenso viel Lebensraum zugestehen wollen, wie den Menschen. Ich habe noch keine anderen schwedischen Städte gesehen, aber allein die Tatsache, dass in einer kleinen Stadt auf dieser Welt Bäume noch geachtet werden, versöhnt mich wieder mit der Menschheit... ;)
[Vor meiner Haustuer in Graz wurden vor kurzem viele alte Freunde von mir einfach abgesägt, ich weiss gar nicht wirklich warum, sie standen vorher schon die ganze Zeit neben der Bahnstrecke, jetzt durften sie dort anscheinend nicht mehr sein... Nussbäume, Apfelbäume, Ahornbäume, Pappeln... Ich habe die ganze Nacht geweint und gezittert vor Wut... nur nebenbei]

Was ist denn noch alles "Zuhause", was nicht? So viele Kleinigkeiten: Strassenschilder, Tuerklinken, Zebrastreifen, Hausformen, Fensterrahmen, Briefkästen, Strassenpflaster...

Frueher, wenn wir mit dem Auto zu meiner französischen Familie gefahren sind, gab es einen Moment, knapp nach dem Passieren der Schweizer Grenze, in dem es mir immer gleich ging. Es war der Zuhause-Moment: "Ah, da sind sie endlich, diese ganz speziellen Strassenschilder und Fensterrahmen!" Bis heute erlebe ich die Landschaft, die Bäume und Strassen dort als völlig einzigartig - das ist mir erstmals aufgefallen, als ich mit einer Freundin dort spazieren war. "Siehst du, solche Felder gibt es nur hier, bei mir zuhause!", hab ich gesagt. "Was? Sieht doch aus wie bei uns!"

Ich kenne nichts so Schönes wie den Anblick eines verwitternden Steinmäuerchens, das sich traumverloren durch die trockene, flirrende Augustlandschaft meiner französischen Heimat schlängelt.

Nichts so Ehrfurchtsgebietendes, wie nächtens in einem See in meiner österreichischen Heimat zu schwimmen; die Bergriesen rund um mich im dunklen Wasser gespiegelt.

Ich sitze hier in Lund und es kommt mir so vor, als wäre die Welt geschrumpft und gewachsen zugleich. Ich bekomme Post von Freunden aus Afrika, oder vom Jakobsweg... Es gibt so viele Leben, so viele verschieden Arten, ein Leben zu leben... Ja, natuerlich komm ich mir ein bisschen blöd vor, mit offenem Mund vor so ausgetretenen Wahrheiten ("Das Gras ist gruen, der Himmel ist blau, die Menschen menscheln, die Maus bleibt grau") stehen zu bleiben.

Genau das will ich aber tun. Es erscheint mir eine ziemlich grosse Tatsache zu sein, dass ich nur eine Möglichkeit von einer Handvoll Milliarden bin, sich diesen blauen Ball zum Zuhause zu machen. Und dass ich mir von den anderen paar Milliarden bestimmt auch einiges abschauen könnte. Fuehl mich wie ein Kueken...

Dienstag, 22. August 2006

Essen


Eine meiner Mitbewohnerinnen hier ist vom Thema Essen vollkommen besessen. Es ist interessant zu beobachten, welchen Einfluss sie bzw. ihre Einstellung auf mich haben. Kann es kaum in Worte fassen (ueberhaupt merke ich, dass mir mein gesamter deutscher Wortschatz, meine Ausdrucksfähigkeit und -leichtigkeit verloren gegangen sind, seit ich keinen deutschsprachigen Boden mehr unter den Fuessen habe... warum ist das davon abhängig???).

Habe ja ernsthaft geglaubt, dass es hier vor allem darum gehen wird, Schwedisch zu lernen und zu studieren. Stattdessen kommen unerledigte Themen und Gefuehle in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit an die Oberfläche und sausen mir nur so um die Ohren. Ernährung, Futter, Hunger und Sättigung sind solche Themen.

Dieses Mädchen - was soll ich sagen? Ihre Besessenheit äussert sich darin, dass sie ständig darueber spricht was sie isst (oder eben nicht), wie schnell was verbrannt wird, welche Kalorien was hat, ob die gut oder böse sind, zu welcher Tageszeit man am Besten essen sollte, blabla. Natuerlich ist sie ganz schlank und zierlich. Vor kurzem war sie nur noch ein Knochenhaufen, ich habe Fotos gesehen. 38kg auf geschätzte 1m50. Hm.

Und was passiert mit mir: ich vergleiche mich. Grundsätzlich bin ich eine Verdrängungs-Esserin. Ich manövriere mich gerne in einen Teufelskreis hinein, in dem mein Körperhass durch Futter ueberdeckt werden soll und das Futter wiederum Körperhass auslöst. Insgeheim bewundere ich Frauen, die einfach aufhören können, zu essen. Aber andererseits finde ich sie dumm und unreif. Das ganze Thema ist ja so widerspruechlich - mit Logik und Verstand kommt man auf diesem Gelände nicht weit: wenn ich mich hässlich fuehle, weiss ich zugleich, dass ich keinen Grund habe, mich verstecken zu wollen, meinen Körper zu beschimpfen oder mich aus ihm hinaus zu fluechten.
Es ist mir noch ein wenig schleierhaft, was dieses Mädchen in mir auslöst oder warum das so ist. Aber eigentlich ist es mir egal, denn ich weiss ohnehin, was zu tun ist. Ich bin nicht mehr bereit, an mir selbst Raubbau zu betreiben. Ich bin auch nicht bereit, meinem Körper dafuer die Schuld zu geben, dass er nicht aussieht wie ich es will, wenn ich mir selbst den Kopf ins Essen druecke. Ich bin schon stolz auf mich, dass ich genuegend gelernt habe, um jetzt so schnell die Bremse ziehen zu können. Ich brauche noch keine Notbremse. Und ich bin sehr dankbar fuer meine Lage, mittlerweile macht mir diese Herausforderung Spass. Zunächst war ich wie erschlagen, jetzt will ich schneller und gewitzter sein als mein innerer Räuber. Das macht mich ziemlich einfallsreich und schnippisch!

Montag, 21. August 2006

Ansage

Ich lasse mir nicht mehr bieten,
ich lasse mich nicht länger gefallen -
hörst Du, Gedanke! -
dass Du mich denkst.

Glaub ja nicht,ich sei

dumm.
Ich bin nicht

schwach.
Ich bin nicht

verloren.

Hör mir zu, Gedanke,
ich gehe jetzt.
Siehst Du, ich gehe.
Wenn ich einmal fort bin,
wirst Du mich nicht mehr finden.

Ich mache mir nichts aus Dir,
ich höre nicht auf Dich,
wie Du siehst.
Beachte diesen Fuss,
er ist gleich aus der Tuer.

Dann wirst Du sehen,
was Du davon hast,
Du wirst schon sehen,
wirst es sehen.

Losung

Furchtbares Mädchen,
ich kann nichts, ich bin nicht,
seit Dir.

Zähle Silben, Talente, Kalorien -
Addition und Subtraktion.
Weniger, weniger werde ich.

Rast-los, Schlaf-los bist Du,
Bröslig und Saft-los
wird meine Kraft.

Aussatz, verhänge Spiegelbann.

Herz-los, Freud-los vermesse ich
mein Können,
vermisse meine Schöpferkraft.

Folge mir selber aufs Glatteis,
kratze ab.

Fleischwolf

Teller:
Kreis und Schlachtfeld,
Schande.

Körper:
Welpe, Made
Sau.

Samstag, 19. August 2006

Baumtrost, in der Fremde

Hatte gestern einen richtig anstrengenden Tag - psychisch.
War 3 Stunden lang im Netz, habe ein bisschen geweint. So viele schöne Mails. Einsamkeit und Fremdsein haben mir plötzlich richtig zugesetzt. Fuehlte mich ganz paranoid, wollte aus dem Computerraum gar nicht mehr hinaus. Hab es trotzdem gewagt, bin durch die Stadt, hab einen billigen Tuerken gefunden, bei dem es Gemuese und Obst zu halbwegs normalen Preisen gibt (ich bin nicht bereit, umgerechnet ueber 4Euro fuer ein Kilo Vitamine zu bezahlen!).

Habe mich durch die Stadt treiben lassen - es macht mir Spass, jeden Tag ein paar neue Strassenzuege gruendlich zu erkunden.
Auf dem Weg vorbei an der Domschule ging ein kleines Mädchen an der Hand seiner Mutter. Die Kleine hatte einen Plueschaffen ueber der Schulter hängen und strahlte diese ganz spezielle kindliche Unbeschwertheit aus. Ich musste an ein Foto von mir im selben Alter denken, auf dem ich einen Puppenwagen schiebend die Strasse entlang gehe. Ich habe versucht, die Stadt mit den Augen dieses kleinen Mädchens zu betrachten - habe mir gedacht, dass das alles, was die Kleine jetzt wahrnimmt, fuer sie immer mit Heimat verbunden sein wird. Also könnte ich's doch so machen wie sie!

Habe beim Beobachten von Mutter und Tochter ganz zufällig den Eingang zum wunderschönen Stadtpark gefunden. Nach ein paar Schritten hat sich schon ein Rotkelchen ganz nah auf einen Ast zu mir gesetzt und gesungen - ich hätte es mit der Hand fangen können! Grundsätzlich ist mir aufgefallen, dass die Vögel hier viel näher an die Menschen heranfliegen.
Ich bin durch den Park geschlendert und habe nach einem schönen Baum Ausschau gehalten, von dem ich mich ein bisschen trösten lassen könnte.

Habe auch schnell einen gefunden. Ich scheine nicht die Einzige zu sein, die diesen Baum gern besucht; seine Rinde ist voller Herzen und Narben. Das Zelt, das seine herabhängenden Zweige bilden, hat etwa einen Durchmesser von 10 Metern und ist absolut blickdicht. Bin in seine Krone geklettert und bin ganz schnell ganz still geworden. Hab den Baumbewohnern ein paar Nuesse hinterlassen.


Hatte auf einmal ganz deutlich das Bild der Hainbuche vor mir, die ich im Juli öfters besucht habe. Erinnerte mich plötzlich daran, dass ich mir unter diesem Baum einmal gewuenscht habe, auch in Schweden schnell eine tröstende Baumseele finden zu können. Vielleicht hat die Hainbuche meinen Wunsch ja nach Lund gefaxt? Manche behaupten, Bäume könnten sowas... Aus dem Baum kam tiefes Lachen.
Dachte noch ueber alles nach was mir momentan auf den Schultern lastet, hörte den Blättern zu. Es fällt mir schwer, Einiges loszulassen, das zwar verändert gehört, was ich jetzt aber weder verändern kann noch muss - schon gar nicht aus einer Entfernung von etwa 1500 Kilometern... Dabei muss ich mich ja gar nicht fuer eine Richtung entscheiden, nur damit ich eine Richtung habe. Es geht nur um eines: Ehrlichkeit. Das ist genug.

Als ich wieder aus dem Park geschlendert bin, war ich wie erneuert und froh. Bin den selben Weg zurueck zu meinem Rad spaziert und musste beim Anblick der Häuser lachen, welche Gemuetswandlung ein Mensch innerhalb einer halben Stunde vollziehen kann. Was mir beim Hinweg fremd und hässlich erschien, gefiel mir auf einmal. Hatte sogar das Gefuehl, das hier alles bald "Zuhause" nennen zu können.

Freitag, 18. August 2006

Kulturschock

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Es ist soweit - ich bin in Schweden!
In meinem Kopf ist Achterbahn: so viele Dinge zu tun, Adressen abzuklappern, Formulare einzupacken, Zettel durchzulesen, Deadlines zu bedenken... Mein Hirn wehrt sich dagegen, mehr als 3 Tage im Voraus zu denken, und das ist gut so. Interessanterweise denke ich aber auch kaum rueckwärts - mit dem Aussteigen aus dem Flieger ist das Kabel nach Österreich abgeschnitten worden. Ich lebe also vor allem im Augenblick, und in diesem Augenblick fuehle ich vor allem:
Angst! Ueberforderung! Verwirrung!

Ich halte Ausschau nach Vertrautem und Dingen, die mir gefallen, mit denen ich mich anfreunden kann. Ich rieche noch deutlicher, höre den Leuten genau zu, ich suche nach schönen Perspektiven und Blickwinkeln... Ergebnis ist, dass ich ziemlich schnell vollkommen erschöpft bin. Habe ausserdem das Beduerfnis, ganz unscheinbar zu werden, in der Masse unterzutauchen.

Vermisse auf einmal Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie mir fehlen könnten! Der Rettungsanker: Yoga. Wie immer. Ich muss mir hier ganz schnell etwas suchen, das mich verwurzelt. Es gibt so viele viele schöne Bäume hier, da wird doch bestimmt einer fuer mich dabei sein!

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Mittwoch, 9. August 2006

Lammas - Das Opfer

Wer nach dem Mondkalender lebt, feiert heute Schnitterfest. Schon seit längerem fühle ich den Herbst wiederkommen. Der Sommer steigt ganz langsam in sein Grab. Im Park haben ein paar kranke Kastanien schon Blätter gelassen. Hm. Ich bin traurig.

Ich überlege: was kann ich jetzt ernten? Was ist gut gewachsen, reif geworden? Was muss ich jetzt verabschieden?

Es ist mir gelungen, meinen "inneren Weg" in mein alltägliches Leben zu integrieren:
Fotoapparat immer dabei; Wasserflasche dabei; ein oder zwei Tücher, damit ich mich zwischen zwei Vorlesungen eine Runde in den Wald setzen kann; bei der Arbeit die Mittagspause unter einen Baum verlegen; Meditation in der Straßenbahn; Yoga zum fixen Bestandteil gemacht... Es fühlt sich gut an. Ich werde nicht so leicht abgelenkt. Habe selbst während meiner heftigen Verliebtheit im Frühjahr (während der ich wochenlang NICHTS essen konnte) mein Programm nicht sausen lassen. Ich habe Ausdauer entwickeln können und Routine etabliert. Ich gehe in einen Wald und fühle mich dort willkommen und zuhause, das war im Frühjahr noch nicht so. Ich habe damals mit meinem Homöopathen stundenlang geredet, wie sehr es mich schmerzt, in die Natur zu gehen und mir wie ein Fremdkörper vorzukommen. Und jetzt bin ich schon so viel weiter! Ein schönes Gefühl.

Ich ernte jetzt so etwas wie Seelenruhe, Vertrauen, großen Spaß an dem was ich tue; einen Körper in dem ich mich zunehmend heimischer fühle; Entspannung; fantastischen Sex und das Gefühl, verbunden zu sein... Gelassenheit, Geduld... Liebe... Und wenn ich mich mal zwei oder drei Tage gar nicht aufraffen kann, flippe ich nicht aus und die Negativschleife in meinem Kopf rast nicht sofort los. Ich kann mich ganz gut auffangen und selbst beruhigen. Ich habe nach wie vor alle 4-5 Wochen Schwierigkeiten mit meiner Ernährung, aber ich nehme auch diese Schübe bewusster wahr, kann sie mit beinahe liebenden Augen betrachten. Heißt natürlich nicht, dass ich schon drüber stehe. Aber auch kleine Erfolge sind was wert, finde ich...

Was ich jetzt verabschieden muss, ist der Geruch des Frühlings, die Unbeschwertheit, das Sitzen an meiner Weide (auch deshalb, weil ich nächste Woche nach Schweden aufbreche)... Meine Freunde, mein Zuhause, mein gut eingerichtetes Leben streife ich in wenigen Tagen ab und muss mir erst eine neue Haut basteln. Wahrscheinlich habe ich aus diesem Grund in den letzten Tagen Unmengen an Tüchern eingekauft. Um mir mein Zimmer in Schweden "anzuziehen". Um eine vorläufige Haut zu haben, nicht innerlich nackt herumlaufen zu müssen.
Ich freue mich aber auch auf diese süße Schwere des Herbsts, wenn die Arbeit wieder beginnt, ich voller Tatendrang und Elan in die Bücher springe, lerne, lese, lebe... Heiße Schokolade! Äpfel! Bunte Bäume... Naja, hat ja noch ein bisschen Zeit dorthin, aber irgendwie riecht die Luft schon ein kleines Bisschen danach...

Und dann die Saat, die nicht aufgegangen ist:
ein Mann ist wieder in meinem Leben aufgetaucht, stellt Vorsätze auf den Kopf, verdreht alles. Ich finde mich plötzlich wieder in exakt den selben Bedingungen wie vor 6 Jahren. Es stellen sich genau die selben Fragen, die selben Aufgaben. Ich dachte schon, dass ich ein bisschen weiter wäre. Bin ich nicht. Noch mal von vorne, bitte!
Ich habe nach wie vor Hass-Anfälle auf meinen armen Körper. Sie werden zwar seltener und weniger heftig. Aber sie sind und bleiben trotzdem teuflisch; denn sie fesseln, binden und blenden mich. Es ist ein langer Weg nach oben!
Nach wie vor habe ich Ess-Schübe; esse tagelang ständig, nur um den Hunger nicht zu spüren. Ich will nicht leer zu sein, nicht zum Verdauen kommen, usw. Meine Inspirationskarte ist der Stern aus dem Crowley-Deck.

Kühlend, lindernd, meditativ. Diese Karte fühlt sich an, wie der Idealzustand in meinem Körper: nie überladen, frei, beweglich, klar, sauber, frisch. Wie ein klarer Sternenhimmel eben...

Sonntag, 6. August 2006

Abschied - Inspiration

Große weite Welt damals: Paris ...

Heute Nacht der erste Abschied, der richtig weh getan hat.
Jetzt sitze ich hier, löffle die Reste von meinem Abschiedsfeier-Eintopf und versuche in Worte zu fassen, was es bedeutet, dass ich meine geliebte Merla erst zu Weihnachten wieder sehe...

Also, liebe große weite Welt,
du schiebst dich jetzt zwischen uns - pass bitte gut auf diesen ganz besonderen Menschen auf! Ich bin egoistisch und möchte auf das alles nicht verzichten:
  • die Inspiration, die sich einstellt, wenn ich mich durch ihren Schmuck, ihre Fotos, ihre Texte, ihre Bücher und Tücher wühle
  • Fussbäder, Lachkrämpfe, Silvesternächte, Koch-Sessions, Heimatgefühle, Streicheleinheiten, Streitereien, Wein, Weibertratsch und Gesang
  • aufeinander prallen, aneinander wachsen
  • die Faszination, die zwei weibliche Universen aufeinander ausüben
  • die Schönheit in ihrem Lachen und Weinen
  • ihre Klarheit, Geradlinigkeit, Vielseitigkeit, Tiefe und Beseeltheit
  • die Meinung gesagt zu bekommen!

Ich bin nicht traurig. Hab soviel getankt in den letzten Wochen, das jetzt Gelegenheit zum Wachsen und Reifen hat. Ich freue mich.

Mittwoch, 2. August 2006

Haltung bewahren. Stellung beziehen.

Wollte eigentlich etwas zum Thema Komplimente schreiben, das mich zur Zeit sehr beschäftigt. Habe aber bei einer Bloggerin über Menstration gelesen - und meinen Plan verworfen. Habe gestern meine Regel bekommen und bin erstaunt: über meinen Körper.


Erstens: mein Frühwarnsystem hat sich ausgeschaltet. Normalerweise ziehen die Brüste einige Tage vor der Regel. Diesmal: nichts. Plopp, war sie plötzlich da, ohne Vorwarnung, ohne nichts.

Zweitens: ich habe keine Schmerzen!

Die intensive Auseinandersetzung mit meiner Haltung und meinem Beckenboden in den letzten Wochen hilft jetzt anscheinend dem Bauch, zu entspannen. Erstaunlich, was ich beim Yoga alles herausgefunden habe:

ich sperre meinen Brustkorb ein, zurre die Schultern nach hinten, weil meine Brüste groß sind und ich Angst habe, dass sie "baumeln"...

ich gehe ins Hohlkreuz, seit ich denken kann - warum eigentlich? Vielleicht weil ich gelernt habe, dass man so einen "schönen" Hintern bekommt?

Wenn ich jetzt die Beine spiralig in den Boden schraube, die Füße die Erde treten lasse, das Becken in den Boden senke, das Brustbein hebe, mich dehne und öffne, erfüllen mich Gefühle des absoluten Glücks. Zugleich muss ich gegen Impulse ankämpfen, die mich wieder in die alte Haltung zurück ziehen. Aber es lohnt sich, die Augenblicke des Widerstands und des Zweifels auszustehen.

Ich kann nichts in und an mir verändern, solange sich in der Haltung meines Beckens der Gedanke ausdrückt, dass ich hier bin, um zu gefallen. Ich kann nichts verändern, solange ich meine Brüste zu kontrollieren versuche, weil sie mir oft zu groß sind und ich es nicht mag, wenn sie Aufmerksamkeit erregen. Ich kann mich nicht bewegen, ohne meinen Atem zu befreien, den ich einsperre damit mein Bauch sich nicht wölbt. Wenn ich meine Haltung geändert habe, stehe ich plötzlich vor einer hohen Mauer aus verkrusteten Gedanken, Gefühlen, Meinungen. "Wo willst du hin, mit diesen gelösten Schultern, diesem freien Brustkorb!?", fragen die Wächter auf der Mauer. Ich gehe auf sie zu. Mein Atem fließt, mein Bauch wird rund. Zweifel. Mein Becken sinkt, die Leisten werden flach, der Beckenboden ist stark. Ich fühle, es ist gut. Ich denke, dass ich den Schutzschild verliere, den sonst mein herausgestreckter Hintern bildet. Ich bin nackt. Hässlich. Schutzlos.

Es ist ein Wagnis. Ich muss Schönheit neu suchen, dort, wo es sich gut anfühlt. Es gibt "da draußen" keine Augen, die mich so streng betrachten, wie ich mich selbst. Ich darf geduldig bleiben.

Mein Körper wird weicher, offener, dehnbarer. Er meldet immer mehr, weil er spürt, dass ich immer genauer zuhöre: Schmerzen, Glückshormone, Offenheit, Angst, Beweglichkeit, Stärke, Freude...

Mein Mantra: Achtsamkeit.