Mittwoch, 9. August 2006

Lammas - Das Opfer

Wer nach dem Mondkalender lebt, feiert heute Schnitterfest. Schon seit längerem fühle ich den Herbst wiederkommen. Der Sommer steigt ganz langsam in sein Grab. Im Park haben ein paar kranke Kastanien schon Blätter gelassen. Hm. Ich bin traurig.

Ich überlege: was kann ich jetzt ernten? Was ist gut gewachsen, reif geworden? Was muss ich jetzt verabschieden?

Es ist mir gelungen, meinen "inneren Weg" in mein alltägliches Leben zu integrieren:
Fotoapparat immer dabei; Wasserflasche dabei; ein oder zwei Tücher, damit ich mich zwischen zwei Vorlesungen eine Runde in den Wald setzen kann; bei der Arbeit die Mittagspause unter einen Baum verlegen; Meditation in der Straßenbahn; Yoga zum fixen Bestandteil gemacht... Es fühlt sich gut an. Ich werde nicht so leicht abgelenkt. Habe selbst während meiner heftigen Verliebtheit im Frühjahr (während der ich wochenlang NICHTS essen konnte) mein Programm nicht sausen lassen. Ich habe Ausdauer entwickeln können und Routine etabliert. Ich gehe in einen Wald und fühle mich dort willkommen und zuhause, das war im Frühjahr noch nicht so. Ich habe damals mit meinem Homöopathen stundenlang geredet, wie sehr es mich schmerzt, in die Natur zu gehen und mir wie ein Fremdkörper vorzukommen. Und jetzt bin ich schon so viel weiter! Ein schönes Gefühl.

Ich ernte jetzt so etwas wie Seelenruhe, Vertrauen, großen Spaß an dem was ich tue; einen Körper in dem ich mich zunehmend heimischer fühle; Entspannung; fantastischen Sex und das Gefühl, verbunden zu sein... Gelassenheit, Geduld... Liebe... Und wenn ich mich mal zwei oder drei Tage gar nicht aufraffen kann, flippe ich nicht aus und die Negativschleife in meinem Kopf rast nicht sofort los. Ich kann mich ganz gut auffangen und selbst beruhigen. Ich habe nach wie vor alle 4-5 Wochen Schwierigkeiten mit meiner Ernährung, aber ich nehme auch diese Schübe bewusster wahr, kann sie mit beinahe liebenden Augen betrachten. Heißt natürlich nicht, dass ich schon drüber stehe. Aber auch kleine Erfolge sind was wert, finde ich...

Was ich jetzt verabschieden muss, ist der Geruch des Frühlings, die Unbeschwertheit, das Sitzen an meiner Weide (auch deshalb, weil ich nächste Woche nach Schweden aufbreche)... Meine Freunde, mein Zuhause, mein gut eingerichtetes Leben streife ich in wenigen Tagen ab und muss mir erst eine neue Haut basteln. Wahrscheinlich habe ich aus diesem Grund in den letzten Tagen Unmengen an Tüchern eingekauft. Um mir mein Zimmer in Schweden "anzuziehen". Um eine vorläufige Haut zu haben, nicht innerlich nackt herumlaufen zu müssen.
Ich freue mich aber auch auf diese süße Schwere des Herbsts, wenn die Arbeit wieder beginnt, ich voller Tatendrang und Elan in die Bücher springe, lerne, lese, lebe... Heiße Schokolade! Äpfel! Bunte Bäume... Naja, hat ja noch ein bisschen Zeit dorthin, aber irgendwie riecht die Luft schon ein kleines Bisschen danach...

Und dann die Saat, die nicht aufgegangen ist:
ein Mann ist wieder in meinem Leben aufgetaucht, stellt Vorsätze auf den Kopf, verdreht alles. Ich finde mich plötzlich wieder in exakt den selben Bedingungen wie vor 6 Jahren. Es stellen sich genau die selben Fragen, die selben Aufgaben. Ich dachte schon, dass ich ein bisschen weiter wäre. Bin ich nicht. Noch mal von vorne, bitte!
Ich habe nach wie vor Hass-Anfälle auf meinen armen Körper. Sie werden zwar seltener und weniger heftig. Aber sie sind und bleiben trotzdem teuflisch; denn sie fesseln, binden und blenden mich. Es ist ein langer Weg nach oben!
Nach wie vor habe ich Ess-Schübe; esse tagelang ständig, nur um den Hunger nicht zu spüren. Ich will nicht leer zu sein, nicht zum Verdauen kommen, usw. Meine Inspirationskarte ist der Stern aus dem Crowley-Deck.

Kühlend, lindernd, meditativ. Diese Karte fühlt sich an, wie der Idealzustand in meinem Körper: nie überladen, frei, beweglich, klar, sauber, frisch. Wie ein klarer Sternenhimmel eben...

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