Samstag, 27. Oktober 2007

niyamas: schaucha

Schaucha
Reinheit des Körpers, des Geistes und der Seele

Eines der 5 Niyamas, den allgemein gültigen Qualitäten im Umgang mit uns selbst.






In den Asanas erleben wir über unseren Körper sehr direkt die Auswirkungen eines unharmonischen Lebensstils. Wir spüren unsere An- und Verspannungen und unsere Steifheit, Erschöpfung, Müdigkeit oder Ruhelosigkeit und Überdrehtheit. Wir nehmen wahr, wie negative und destruktive Emotionen und Gedanken uns verunreinigen und hemmen, wie der Neid uns vergiftet oder die Angst uns lähmt. Und es entsteht auf eine natürliche Weise der Wunsch nach "Reinigung", nach Veränderung.

Aus: Flow Yoga. Meditation in Bewegung, von Beate Cuson


Das Thema Reinigung beschäftigt mich schon sehr lange. Ich merke schnell, wenn mich ein Erlebnis, ein Gedanke oder eine körperliche Empfindung verschmutzen. Das Gleichgewicht geht verloren, die Gedanken zischen kreuz und quer, der Körper wird schwer, alles verstopft.

Manches kriegt der Körper von selbst wieder in die Balance, manches bleibt unerkannt lange in einem und richtet schweren Schaden an. Das eigentlich Mühsehlige an der Reinigung ist selten das "Waschen" selbst, sondern die Überwindung dazu. Wie beim Sport oder beim Arbeiten. Wenn man einmal dabei ist, geht es meist locker von der Hand, aber bis dahin...

Negative Gefühle, hassvolle Gedanken etc. machen den Menschen nicht schlecht. Sie müssen nicht ausgetrieben werden, weil sonst der Teufel kommt, oder unsere gerechte Strafe. Ich werde im Spiegel des Lebens freilich genau das erblicken, was ich selbst ausstrahle. Aber innerliche Hygiene sollte man nicht aus Angst betreiben, dass einem das Leben sonst eins überbrät. Der Grund, warum Schaucha gut und wichtig ist, ist sehr schlicht: wer einmal vollkommen sauber und klar war, kennt ihn. In diesem Zustand sind die Gedanken geschmeidig und ruhig, auf den Lippen liegt das Lächeln der zufriedenen Vergnügtheit, die Haut ist weich, der Körper ist warm, leicht und biegsam. Man findet die richtigen Worte, sieht klar, hört richtig, denkt mit Liebe und handelt mit Verstand. Der einzige Grund für Reinigung ist das Bedürfnis, sich so oft wie möglich so heil fühlen zu können.

Aber wie putzt man sich eigentlich innerlich? Es gibt viele verschiedene Techniken und alle möglichen Richtungen und Schulen, von bodenständig bis abgehoben. Elemente-Reinigung, Bewegung, Visualisationen, Meditation, Geißelung... Ich fühlte mich lange zum Schmutzig-Sein verurteilt, denn nichts funktionierte. Was mir dabei nicht klar war - und das lag wohl an der Wortwahl "Reinigung" - war die Natur dieses Prozesses. Der ist nämlich grundsätzlich verschieden von der Art und Weise, wie wir unsere Körper, unsere Kleidung und unsere Autos waschen. Die "Reinigung" von Zorn, Angst, Scham etc. funktioniert nämlich nicht so, dass Belastendes aus dem Körper getrieben wird, wie der Fleck aus dem Hemd. Das musste ich schmerzlich erfahren, als bei jedem "Abtreibungsversuch" der Zorn in mir umso stärker in mir aufflammte. "Ich gehe nicht!", brüllte er und trieb mir die Rauchwolken aus den Ohren. Was macht man, wenn ein Fleck mit jedem Waschgang hartnäckiger wird? Nach vielem Hadern kam dann doch noch die Erkenntnis: ein Hemd mit Fleck ist vielleicht kein gutes Hemd, aber ein Mensch mit Zorn muss nicht waschen, sondern ordnen. Böse Gedanken oder Gefühle gehören nicht raus, sondern einfach an den richtigen Ort. Als ich meiner Wut erstmals nicht die Tür wies, sondern sie in mir an ihren richtigen Ort zu leiten versuchte, wurde sie plötzlich handzahm. Nach einigem Üben wurde sie wieder zu dem was sie ist: Stärke, Mut, Durchsetzungsvermögen.

Kennt noch jemand den Rubik-Würfel? Das Prinzip ist ähnlich (und die Erfolgschancen höher - zumindest bei mir).





Ableitende Yogaübungen sind vor allem die Drehungen. Man kann aus beinahe jedem Asana einen Twist machen. Wichtig ist immer, die Drehung mit gut aufgerichtetem Rumpf zu beginnen. Die Einatmung lässt die Wirbelsäule vom Steißbein in die Höhe wachsen. Der Ausatem macht den Körper geschmeidig für die Drehung, die Energie ergießt sich vom Scheitel über den Rücken, die Aufrichtung bleibt dabei erhalten. Mit dem Atem entsteht ein innerkörperlicher Puls. In der Vertikalen wechseln Wachstum und das sich nach unten Ergießen. In der Horizontalen spürt man Erfüllung/Ausdehnung und Entleerung bzw. Entspannung.

In diesem Tanz, der sich in alle Richtungen ausbreitet, ist das Körperzentrum das Auge des Sturms. Nicht die Arm- und Beinkraft drücken den Rumpf in die Drehung. Es sind die Bauchmuskeln, die für den Twist verantwortlich sind. Im Drehsitz zum Beispiel kann man immer wieder die Arme heben, um festzustellen, ob der Bauch die Stellung hält, oder doch nur die Oberarme. So wirkt die Drehung zwar äußerlich weniger tief und spektakulär, kommt aber aus der Mitte und besitzt damit echte Tiefe und Verwandlungskraft.

Montag, 8. Oktober 2007

nebenher gedacht

Bevor ich wieder in der Versenkung (aka Bücherturm auf Schreibtisch) verschwinde, ein paar Zeilen aus dem Notizbuch:

Samstag, 06.10.2007
Lese gerade für meine Arbeit über Otto Dix. Ich bin ganz fasziniert, kann aber noch nicht ganz in Worte fassen, weshalb und worüber... Am meisten rätsle ich noch über meine Herangehensweise im Bezug auf Politische Ikonografie. V.a., weil Dix die politische Politik verabscheut (er ist ja trotzdem ein politisches Wesen). Er ist vielleicht der neutralste Künstler, mit dem ich mich je eingehender beschäftigt habe. Ein unverwickelter, zynischer Menschen- und Lebensfreund. Erinnert mich an Heraklits Vorstellung von einer Welt und einem Fluss der Polaritäten. Nur dazwischen liegt die Wahrheit; die Welt ist nicht nur häßlich oder schön, aber sie besitzt immer Schönheit... Ich lerne viel von seinem Blick.

Sonntag, 07.10.2007
Denke mir heute, dass ich wohl doch eigtl. keine Kunsthistorikerin, auch keine gute Kunstbetrachterin im Sinne Dix' bin. Mir fehlt das Auge. Dix, das mag ich ja so, liegt das Herumgedenke & -philosophieren nicht. Er findet alles in der Betrachtung, obwohl seine Bilder viell. nicht völlig selbsterklärend sind. Jedenfalls denke ich mir heute, dass ich vielleicht irgendwie 'blind' bin. In der Kunst sehe ich so schwer etwas. Es kostet mich enorm viel Aufwand, da meine Lider aufzukriegen. Das ist komisch, weil ich sonst ein sehr fein-sinniger Mensch bin. Ich sehe viel, nur viell. eher i.d. Bereichen, wo man nichts sehen kann (lustig).
Nicht in der Kunst, vielleicht ganz besonders schwer in Dix' Kunst, wo soviel auf der Hand liegt. Trotzdem fesselt er mich, es ist so, als könnte ich mit den Wimpern etwas berühren, aber der Blick ist noch nicht kräftig genug, die Vorhänge zu heben. Wirklich zu verstehen, zu begreifen...
Jedenfalls packt mich so eine Lust, sehen zu lernen. Ich denke mir heute sogar, dass mein Blick verbraucht, müde sein könnte. Es gelingt mir nicht, den Dix anzuschauen, als wäre er das Allererste, was ich jemals betrachtet hätte. Genau das braucht der aber, glaube ich. Ich ahne, dass nämlich der Schleier, der vor meinen Augen hängt, aus allen Kategorien, Analysen und Schubladen besteht, die ich mir mit den Jahren zusammengelernt habe. Ich ahne, der Dix malt die Wirklichkeit; roh, schön, hart - so wie ich sie vielleicht bei der Geburt noch gesehen habe. Ich kann das nicht beschreiben. Weil ich da ja auch noch nur geschaut habe.
Ich stelle fest, dass ich anscheinend in all dieser Auseinandersetzung mit der Kunst zu erblinden begonnen habe. Ich weiß nicht, was sie will, wohin sie will, was ich mit ihr machen soll. Ich weiß nur, ich gehe z.B. vor so einer lasiert gemalten Obstschale in die Knie. Und - ohne zu wissen, dass auch er lasierend malt - jetzt klebe ich plötzlich an Otto Dix.
Ich denke mir, es wäre doch toll, wenn man so einen Maler jenseits aller Genius-Mythen einfach neben sich haben könnte. Als Lehrer im Betrachten. Ich denke - wer ein Kunstwerk richtig anzuschauen weiß, muss irgendwie ein - naja - 'besserer' Mensch sein. Nein, ehrlich... Wie die Nazis den Friedrich + die Donaustil-Maler in einen Topf gehauen haben... Scheißvergleich, aber... Schauen konnten sie nicht... Nicht so wie ich das möchte. Ich will mich einmal 2 oder 3 Stunden vor so einen Dix hocken und Sehen lernen. Das ärgert mich so furchtbar, dass ich es nicht kann! Und ich hab das Gefühl, da muss ich durch, da geht es weiter.