Mittwoch, 15. August 2007

Am Fuße der Acht Stufen

Man soll sich vor einem Talente hüten,
das man in Vollkommenheit
auszuüben nicht Hoffnung hat.


Goethe





Ich übe seit ca. 7 Jahren Yoga. Ich habe also zu einer Zeit begonnen, wo Yoga zwar verbreitet, ihm aber noch ein leicht verweihräucherter, in ökologische Wallekleidung gehüllter Ruf anhaftete. Das ist jetzt nicht mehr so, Yogastunden gehören für jeden In-Menschen dazu; Öko ist jetzt auch super: ökologisch abbaubare Yogamatten, Yogahemden, Yogahosen, bzw. ökologisch angebaute Yogatees, Yogakekse oder Yogaöle. Überhaupt kriegt man so ziemlich alle Hilfsmittel, die man braucht oder nicht: Yogaschuhe (wahrscheinlich zum stilgerechten Hinein- und Hinausspazieren aus dem Übungsraum, denn Yoga geht an und für sich barfuss); Zehenstrecker (?); Augenkissen aus allerallerfeinster Seide; Gurte aus ebendieser, Kannen, Pölster, Kerzen, Blöcke, Kisten, Decken, Seile, Matten, Untermatten, Schmuck und Düfte.

Das finde ich weder gut noch schlecht – das Dickicht an Behelfsmitteln und Zubehör lenkt allerdings den Blick immer mehr auf einen Teilbereich des Yoga, nämlich die Körperübungen; ein Teil, auf den auch ich vor kurzem noch am meisten Wert gelegt habe. Mit dem neuen Lebensjahr aber kommen frische Neugier und neue Bedürfnisse; unbekannte Ufer sehe ich am Horizont auftauchen, die ich erkunden und erforschen möchte.

Mein Yogastudio hat die Preise erhöht und ist nun endgültig so unleistbar für mich wie alle anderen Yogaschulen in der Stadt. Ich investiere also in gute Literatur und das sorgfältige Ausbauen und Weiterentwickeln meiner Heimpraxis. Ich habe beschlossen, mich nun verstärkt der Yogaphilosophie des weisen Patañjali (zw. 2. Jh. v. Chr. und 2. Jh. n. Chr.) zu widmen. In seinem Yogasutra - dem Haupttext des klassischen Yoga – beschäftigt er sich mit der Natur des menschlichen Geistes. Dessen „negative“ Zustände (Unruhe, Verwirrung, etc.) sieht Patañjali als Hauptgrund für menschliches Leiden. Er filtert fünf Haupthindernisse (Kleshas) für die Entwicklung des Geistes (und damit des Menschen) heraus.
Der Weg aus der Verknotung in die Befreiung geht für Yogis also über den Geist. Das Ziel:

Wenn das Denken im Selbst ruht,
die Begierden bewältigt sind und auch Wünsche
nicht mehr stören,
dann ist das Yoga-Ziel erreicht.



Bhagavadgita, 6, 18


Patañjali schlägt einen achtstufigen Weg vor (Ashtanga Yoga), der das gesamte Wesen des Menschen umfasst. Die acht Glieder des Ashtanga bilden einen Leitfaden, kein Muss, und sie greifen ineinander. So sehen sie aus:

1.) Die Yamas. Das sind fünf universelle ethische Prinzipien zum Umgang mit der Außenwelt:

  • Gewaltlosigkeit
  • Wahrhaftigkeit
  • Nicht-Stehlen
  • Mäßigung
  • Nicht-Anhäufen

2.) Die Niyamas. Das sind fünf Qualitäten im Umgang mit uns selbst. Wie wir mit uns selbst umgehen, zeigt sich am Besten, wenn wir alleine und unbeobachtet sind, meinen die Yogis.

  • Reinheit
  • Zufriedenheit
  • Disziplin
  • Selbsterkenntnis
  • Hingabe und Vertrauen

3.) Asanas. Das sind sie, die Körperhaltungen. Was wir also heute als Yoga verstehen, ist die dritte Stufe in Patañjalis achtgliedrigem Gebäude. Patañjali spricht überhaupt nur von einer Haltung, nämlich dem Lotussitz. Seine Anweisung wie ein Asana zu sein habe, ist frustrierend kurz und genial präzise: stabil und leicht.

4.) Pranayama, die Atemlenkung, Atemführung

5.) Pratayahara, das Zurückziehen der Sinne; Einfahren der Antennen.

6.) Dharana, die Konzentration.

7.) Dhyana, die Meditation.

8.) Samadhi, die Verschmelzung, Hingabe und Glückseligkeit.


~*~*~*~

Am Anfang eines solchen Weges steht die Frage nach dem Beweggrund und dem Ziel:
Ich mag es, meinem Leben einen Rahmen zu geben; ich genieße Rhythmen (beim Atmen; Arbeiten und Ruhen; Hinaus- und Hineingehen).
Ich habe gerade ein Bedürfnis nach Vervollständigung und einem Tiefersinken in meine Praxis.
Da ich besonders mit Asanas, aber auch mit Atemübungen und Meditation vertraut bin, finde ich es angebracht, mich auch den übrigen Disziplinen des Yoga zu widmen. Wenn ich schon dabei bin.
Ich strebe nichts an, außer einer Vertiefung. Mein Ziel ist nicht das oben beschriebene, sondern ehrlich gesagt nur eines: lernen und tanzen.
Daher möchte ich mich jetzt jede Woche mit einem oder mehreren der Teile auseinandersetzen; auf und jenseits der Matte. Was ich hier schreiben werde sind Auszüge aus meinem Notizbuch, Gedanken und Fragen, die sich zu den einzelnen Schritten in der persönlichen Anwendung auftun.

Ich wünsche mir (und Euch…) viel Spaß auf der Reise…

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