Mittwoch, 28. Juni 2006

Abnabeln

Ich werde ein ganzes Jahr weg sein und somit haben meine Eltern keinen Kitt mehr. Meine Mutter hat meinen Vater nie geliebt, was ich weiß, seit ich 6 oder 7 bin. Ich weiß, dass das Thema der Trennung zwangsläufig in irgendeiner Form auf den Tisch kommen wird, wenn sich die beiden ein Jahr lang ohne Puffer gegenüberstehen: Tochter weg, Sohn weg. Ich hoffe nur, dass meine Mutter den Mut haben wird, aufzuräumen und zu gehen. Mein Vater wird es nicht tun. Er ist zu bequem. Und: er liebt sie. Ich denke, die beiden haben nie gelernt, allein und wirklich selbst-ständig zu sein. Sich selbst Eltern zu sein. Und ich fühle mich verantwortlich.
Ich bin kein Kind der Liebe, oder zumindest nur ein Kind einseitiger Liebe. Das tut so höllisch weh. Wenn ich nicht wäre, gäbe es auch meinen jüngeren Bruder nicht und meine Mutter wäre frei. So habe ich jahrelang gedacht. Ich bin nie für das Unglück meiner Eltern verantwortlich gemacht worden, aber ich fühle mich so. Ich bin wütend, dass sie sich selbst in so ein Lügengebäude hineinmanövriert haben.
"Hach, könnt ihr euch glücklich schätzen, dass ihr so glückliche Eltern habt."
Diesen Satz haben wir ihnen nie geglaubt. Aber sie haben sich selbst in ein Bild gepresst, dass sie jetzt nicht mehr so einfach abstreifen können.
Ich habe drei Trennungen durchlebt. Und die beiden: ich denke, noch keine. Es ist nicht leicht, sowas zu lernen, wenn man jenseits der 50 ist, denke ich mir. Ich frage mich, ob es überhaupt irgendwann leicht ist. Ich kenne den Schmerz und den Kampf und irgendwie will ich mich dazwischen werfen, aber ich muss langsam einsehen, dass ich einfach nichts tun kann. Nichts tun soll. Es fällt mir schwer, mich selbst am Riemen zu reißen, diese Trennung nicht als meine eigene zu empfinden und auch die "Niederlage" dieser Trennung nicht auf meine Schultern zu stemmen.
Was ich jetzt brauche, ist ein Freund. Die einfachen Dinge: eine Schulter, ein Ohr, eine Umarmung. Hach, es ist schwer, erwachsen zu werden. ;)

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