Dienstag, 28. Februar 2006
Erbschaft (Sterbeübung II)
Weil ich erschaffen wurde
habe ich Eltern,
die sterben werden
und toter sind als ich .
Weil ich erschaffen wurde,
werde ich einmal
den Schmerz zufügen
Kind zu sein, zwei Eltern zu haben,
wenn ich nicht selbst
vergehen will.
Künste
Montag, 27. Februar 2006
Das geht nur im echten Leben
Gestern: filmreifer Tag für Artemis:
Nur - das begreift die Artemis in diesem Moment nicht. Denkt sich: kannst doch nicht die Nummer vom einen mitnehmen und dich gleich drauf mit dem anderen treffen. Und serviert den armen Mann ziemlich gemein ab. Obwohl: dass sie gemein war, merkt Artemis zu spät, als der Typ nämlich schon geknickt um die Ecke gebogen ist. *argh* Sehr dumm. Sehr seeehr dumm.
Mittwoch, 22. Februar 2006
Im Traum
Verneigung
auf meinem Altar -
lauf nicht weg!
Ich gebe dir
meine Träne zu trinken
Verstehst du
dass ich mich beuge
vor deiner Stärke?
Dienstag, 21. Februar 2006
Geschenke
in der Maria meine Seele küsst
Wir Töchter
Wir starken Bande
finden uns überall
blind alt oder vergessen
geben uns die Hände
durch unsrer Hände Arbeit
Montag, 20. Februar 2006
Augen auf wo's weh tut!
Ich hab mich todesmutig (da nicht ganz schwindelfrei), auf eine Steinmauer gesetzt und - zugehört. Meisen, Krähen, Tauben, Spatze... Die nebligen Schleier des Morgenrots, über die sich das dunkle Gitter kahler Baumkronen legt...
Sonntag, 19. Februar 2006
Maria
War direkt nach der Begegnung mit den Katzen in der Ausstellung von Liz Larner und Maria Lassnig im Kunsthaus. Liz hat mir gefallen, aber Maria hat mich geprägt.
Samstag, 18. Februar 2006
3 Freundinnen
War am Schlossberg. Bin kurz vor 4, mit dem Gesicht nach Westen, direkt in die Sonne hinein, auf einer Bank gesessen. Eine Katze hat mich dort hin gelockt. Ich weiß nicht, warum ich Katzen so böse bin, wenn sie einfach weglaufen, obwohl ich sie streicheln möchte. Aber die Reaktion ist absehbar. Ich habe mich trotzdem auf die Bank gesetzt. Und 5 Minuten darauf hopst die gleiche Katze wieder auf den Weg, blickt etwas skeptisch in meine Richtung,
Freitag, 10. Februar 2006
Unterwegs
zartgrünes Gitter
auf schmaler Leinwand
in Canterbury
"Spring"
in der Nase Hundepipi,
Fisch und Chips,
Räucherstäbchen
und seltsames Essen.
von 14 Tagen nur das erinnert.
Erinnerung II
Wohliger Schauer:
Jack der Ripper
bietet guten Grund
sich aneinander zu drücken.
einsame Posaune beim Phantom in der Oper
aber große Augen und Ohren
Dirndl und Jodler
für Londoner Eltern
Musik und Glück und Knospen
herrliches U-Bahn-Gedränge
das die Verliebten zueinander schwemmt
die es sonst nie wagen
nackte Männer an offenen Fenstern
zuviel Zigaretten, zu wenig Heizung
und viel Bier als Konsequenz.
Nicht mehr wissen, wovon man
so taumelt:
Liebe, London, GingerAle?
Erinnerung III
Missverständnisse:
ein gerader Blick in die Augen
ist ein Heiratsantrag
geflirtet wird hier mit sehr feinen Antennen
Springerstiefel, Tüllröcke, beklebte Glatzen.
Wahnsinn ganz normal.
Hitze, Lärm und Understatement
klein sein und doch ganz groß
Miles' Trompete im Sonnenuntergang
irgendwo bei ScottlandYard
das Glück, das sich beim Geräusch von Abendverkehr einstellt,
in dem man grad nicht sitzt.
Hello, weite Welt
Hello, Kitty !
Erinnerung IV
Das ist nicht Verona -
trotzdem Männer unter dem Balkon
Heimat:
in den Gesten, der Sprache, dem Lachen
Aufatmen. Durchatmen. Hinhören.
Zigarette in den Fingern,
Blicke im Nacken,
Sonne in den Augen.
Käse, Weintrauben,
Louvre und Défense.
Auf 1000enden Jahren federn die Füße
Donnerstag, 9. Februar 2006
Musik in den Ohren
... als aus dem Cello, das ich bekommen hab.
Macht mich ganz traurig, wenn verwahrloste Instrumente so die Saiten hängen lassen :( Der Bogen lässt sich nicht mehr richtig spannen... Die Wirbel haben ihre Kraft verloren... Die Decke löst sich von den Zargen... Der Stachel hat sich irgendwohin verabschiedet und hinterlässt ein Loch... Ich war ganz traurig...
So traurig, dass ich meine geliebten Flöten lange gestreichelt hab, mit dem Versprechen, sie nieniemals so furchtbar verwaisen zu lassen. Sie haben zum Dank ganz toll für mich gespielt...
Freitag, 27. Jänner 2006
Ich sollte öfter schreiben, weil ich denke, dass die Dinge, die z.Z. geschehen, wichtig sind, auf stille Weise. Aber bei aufwühlenden Episoden schreibt es sich schneller, leichter und ohne literarischen Perfektionisten auf der Schulter. Ich kann gerade schlecht Dinge in Worte fassen, ich kann sie überhaupt nicht fassen - sie sind eben einfach, und das fühlt sich vollkommen gültig und in Ordnung an. Aber heute Mittag ist mir erstmals aufgefallen, wie überraschend undefiniert ich momentan bin: ohne Worte für das, was ich wirklich kann und bin, und dass mich das nicht stört. Anlass war, dass ich mir heute den herrlichen Luxus gegönnt habe, mir die Karten zu legen - "Die Vervollkommnung". Und auf dem Platz "Was ich lernen darf" kamen die 4 Münzen. Da geht es ja um die Materialisation d. Charakters. Paweska hat in seinem Buch folgende Übung dazu: seinen Charakter in allen Einzelheiten zu beschreiben, ohne Wertung, sondern beobachtend.
Ich habe früher (was heißt früher? 2 Wochen, 2 Monate oder was?) diese Charakterliste innerlich ständig bei mir getragen, bereit, sie jedem jederzeit vorzulesen, v.a. mir selbst. Ich habe eigtl. selten postuliert, so ODER so zu sein, ich war auch ganz stolz, den Widerspruch für meinen Charakter beanspruchen zu dürfen. Die Liste ist jedenfalls weg.
Wie ist mein Charakter? Äh... Naja, ich mag meinen Charakter, das sollte ich - ich habe keinen anderen, aber er ist nicht der Rede Wert. Er ist des Seins Wert, wenn sich das so geschwollen ausdrücken lässt. Ich habe den Ehrgeiz nicht mehr (und die Egozentrik), ihn auf einer inneren Liste mit mir zu tragen.
Auf dieser Liste war z.B. der Begriff "lebensfroh" ganz oben und dreimal unterstrichen. Es war mir so wichtig, dieses Feuer in mir, meinen Tanz, mein Lachen zu würdigen und heute denke ich auch, es sollte den grinsenden Tod in seine Ecke treiben. Ich bin immer noch lebensfroh, auch nach diesen Wochen die mich der Tod nun schon beschäftigt - oder vielleicht grade deswegen? Aber diese Freude steht nicht mehr auf meinem Banner, sie steht nirgendwo mehr, sie ist einfach, so wie vorher. Nur, dass sie mir jetzt nicht mehr als Schild dient, um nicht an das Nicht DENKEN zu müssen.
Und so ist es mit vielen Dingen, von denen ich weiß, dass ich sie mir früher oft als Litanei vorgebetet habe. Ja, ich denke immer noch, dass ich mutig bin - WENN ich darüber nachdenke. Ich denke auch, dass ich anziehend bin, musisch, sinnesfroh - WENN ich darüber nachdenke. Der Unterschied ist, dass ich nicht mehr anziehend, musisch und sinnesfroh wirken will (auf mich, auf andere).
Vielleicht fühlt sich so beginnende Seelenruhe an? Ich weiß nicht, vielleicht wird z.B. mein Mut eines Tages gebrochen, und von der Liste gestrichen - die Dinge werden nach und nach von der Liste gestrichen, und irgendetwas bin ich dann ja immer noch? Ich bin bestimmt auch ohne Eigenschaftsworte irgendetwas, und diesen Gedanken finde ich erschreckend und tröstlich. Erschreckend, weil ich doch gerne Eigenschaftswörter hätte und weil ich Worte im Allgemeinenso mag. Tröstlich, weil schlicht und ergreifend etwas an mir unstreichbar ist.
Ich bin nicht zufrieden - mein Freundeskreis gleicht eher einem Durcheinander an Bindfäden als einem sozialen Netz, aber ich bin geduldig und erkenne, dass man sich "da oben" schon viel Mühe gibt, um mir meine Wünsche zu erfüllen. ... Ich möchte mich bereit machen. Meine Unzufriedenheit rührt eigtl. nur aus meinem Bewusstsein für alle Baustellen, die in mir warten. Das regt mich nicht auf: ich sehe sie ja blinken und ich weiß, dass ich sie angehe. Ich erfreue mich an dem frühlingshaften Hauch, dem Gefühl des Aufbruchs, die durch meine Unzufriedenheit möglich werden.
Ich möchte nicht von dieser Welt gehen. Ich will auch nicht aus diesem Körper gehen, weil die beiden das Einzige sind, was ich kenne. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich mit dem Körper einer anderen Person tauschen würde, obwohl das sehr verlockend klingt...
Also, ich möchte leben, ohne vor lauter Todesangst sterben zu wollen. Ich will auf gar keinen Fall für mich allein lebend, obwohl es streng gesehen nicht anders geht. Außerdem hab ich grad Angst, mich in blauäugig romantische Träumereien zu schreiben - aber: ich möchte einen Partner, weil leben und seelenvoll sein so einfach besser funktioniert, zumindest für mich. Ich bin toll für mich und mit mir. Ich will jemanden lieben, ich verdiene es. Ich will nicht aufhören, Baustellen blinken zu sehen. Ich habe Angst davor, mich zu vereinsamen, weil ich denke, zu anders, zu schwierig, zu irgendetwas zu sein, um Teil von allem zu sein. Ich habe Angst davor, dass mir alle meine Eigenschaftswörter gestrichen werden, so wie es jetzt passiert, und so wie man das Wesen eines Baumes nicht definieren kann. Ich bin überhaupt nichts Besonderes, ich bin ein Mensch aus Fleisch + Blut und aus diesen Zutaten sind ein paar Milliarden, und alle wollen, und fürchten und reden, dass mir komisch wird.
Ich bin wichtig. Ich möchte selbstverständliche, wortlose Bedeutsamkeit in mir.
Freitag, 13. Jänner
Morgen ist Vollmond. Ich bin so ruhig - habe herumgeturnt, geschrieben, gezaubert, heiße Schokolade getrunken (echte!). Hm, ein herrlicher Tag, nach der Mühsal und den Ängsten der letzten Wochen. Alles ist gut, mein Kopf ist so klar. Gestern Nacht ein langes Telefonat mit meinem Verflossenen. So viel Ruhe, so viel Zuversicht in uns beiden - ich habe dann geschlafen wie ein Stein und bin ganz neu wieder aufgewacht. Tränen sind doch kleine Verwandlungszauberer; sie räumen mich wirklich aus und machen Platz für neue Innenausstattung!
Sonntag, 8. Jänner 2006
Ich bin durchdrungen von mir selbst
und kann mir nicht entrinnen.
Ich spüre wunderbar die Kraft,
die meine Haut zusammenhält,
durch die sie zu zerreißen droht.
Ich bin verwachsen mit mir selbst!
Ein wundersames Netz ist das:
Ich schaukle, spiele, springe weit
und falle doch zurück in mich,
entdeck mich neu, entwirr’ mein Du.
Erschreckend, wie viel Raum ich biete:
Nächte, Tage, Lichter, Schatten;
Welten lasse ich entstehen
und Welten reiß’ ich wieder ein,
von Kopf zu Zeh, von Hand zu Herz.
Samstag, 7. Jänner 2006
Homines sumus
In der Dunkelheit hält uns die Göttin
ihr Wind singt auf unseren Rippen
ihr Nichts tanzt uns Trost entgegen,
und Heilung und endlich – ein Lächeln.
Stampfend rollen meine Herzen.
Sie sehnen sich Hände herbei
von tausend Frauen, die leiden, die sündigen,
so wie ich, und dennoch zart sind.
Alles in mir will schmelzen und verglühen –
habt Erbarmen mit mir, ich flehe zu euch,
erbarmt euch, beugt euch über mich;
dann heilt mich. Singt mich zurück in die Einfalt!
Zu klein bin ich für meine Schuld.
Seht mich an!
Seht nur, Frauen, meine Wunden,
ihr kennt sie, das weiß ich -
Homines sumus.
Feuchtes Leinen, Berge davon;
breitet sie über mich, ihr Frauen,
kühlt das Brennen.
Und singt, singt mich ins Sterben:
dass eure Füße zittern,
eure Brüste beben,
grollen sollt ihr, schreien sollt ihr,
dreizehn Monde.
Versenkt mich tief, dass ich verbrennen kann.
Klein will ich werden und immer kleiner,
so klein, dass nur Liebe Platz hat auf mir.
Der reine Kern in euren Händen.
Freitag, 6. Jänner 2006
ein furchtbares Gefängnis
atemberaubend, erstickend
und erfüllt mit allen Grauen der Verlassenheit.
Da lag ich: bleich, kalt, blass
und er um mich.
Unschuldiger Dieb, überfällt ein leeres Haus.
Meilenweit fort bin ich von mir
noch immer
und locke mich nur schwer zurück.
Besudelte Lilie, lächelt weiter, kann sich nicht reinwaschen,
hat keinen Stolz.
Und es schmerzt,
weil ich bekomme, was ich wünsche.
Freitag, 23. Dezember 2005
Ich habe Lust, meinen entzündeten Rachen der Meerluft hinzuhalten – den Mund ganz weit aufzusperren, damit der Wind durch fegen kann…
Ich muss etwas Wichtiges tun… Wie denn?
Ich muss etwas Wichtiges schreiben. Tja, so kann das nicht funktionieren, mit der Inspiration. Ich möchte hart arbeiten, an meinen Wörtern, an meinen Sätzen, und etwas wachsen sehen. Ich möchte den tausendfältigen Kreaturen in mir ein Zuhause geben, gebaut aus papierenen Mauern. Und ich möchte, dass dieses Zuhause viele Menschen besuchen. Wir sind nicht immer gern allein, oder?
Ich habe große Lust, Fotos zu machen. Ich habe Lust, meine anderen Augen aufzusetzen, die, die alles sehen – und mit diesen Augen wieder viele Zuhause zu schaffen, gebaut zwischen 4 Rändern Fotopapier…
Ich denke nach über Arbeit und ihre Geschenke. Ich frage mich wie es kommt, dass ich so wenig zu tun habe? Ich muss mir eine Arbeit wählen – eine andere, eine wichtige, eine, wo ich Chef und Angestellte bin und wo die Jahresbilanz schwer mit Zahlen zu kalkulieren ist. Ich krame in meinen alten Gedichten. So viele Häuser! Und alle sind sie gebaut aus dem Wunsch, sich einmal als Nachbarn wieder zu finden, zu fliegen, umzäunt von zwei festen Buchdeckeln.
Also dann, ich hab meine Arbeit gefunden. Es ist Arbeit, zu schreiben. Es ist auch hart, zu fotografieren. Nicht aus Mangel an Motiven. Ich müsste nicht mal vor die Haustür gehen, um tausend Jahre arbeiten zu können.
Meine Kreaturen sind nur nicht leicht zu fangen!