Montag, 11. September 2006

Fieber

Also ehrlich, ich bewundere die sogenannten "fröhlichen Kranken". Menschen, die sich von so einer kleinen Grippe/Angina/Blasenentzündung o.Ä. nicht wirklich aus ihrer ruhigen und gelassenen Grundstimmung reißen lassen. Ich kann das nämlich nicht. Ich bin eine weinerliche, grantige, zwiedere und mitleid-heischende Kranke. Ich mutiere ab dem ersten Kratzen im Hals schlagartig zu einem kleinen Mädchen und ab dann geht es nur mehr abwärts...

Es ist nämlich so: man hat die Wahl, während der Ferien krank zu werden, oder eben nicht während der Ferien. Egal wie es dann kommt, man hätte es gerne genau anders herum (sobald man sich einmal mit dem Zustand des Krankseins per se arrangiert hat). Die schwierigste Übung am krank-Sein-ausserhalb-der-Ferien ist für mich nicht, irgendwie mit der körperlichen Zerschlagenheit umgehen zu lernen, sondern der geistigen Sorgenmühle Einhalt zu gebieten. Mit jedem 10el Grad Fieber mehr, oder von mir aus mit jedem kleinen Hüsteln, steigt die Menge der "Ich sollte doch noch.." und "Ich muss doch eigentlich aber noch..." - Gedanken, die einem innerhalb einer Minute durchs Hirn schießen, an. Am Ende sehe ich meine gesamte Existenz wegen dieser oder jenen liegengebliebenen Sache den Bach runter segeln. Wenn ich allerdings die Anzahl meiner Gesundheits-Ausfälle mit beispielsweise den Prüfungsergebnissen der letzte Jahre vergleiche, sollte ich mir eigentlich gar keine Sorgen machen. Es ist aber zwecklos, meinem Hirn mit statistischen Wahrheiten zu kommen; es gelingt ihm nicht, sich von der Krankheit nicht beeindrucken zu lassen - denn: mens sana in corpore sano und wenn der Körper nicht gesund ist, kann das Hirn nicht sauber denken!

Wenn sich aber das Hirn einmal mit der Vorstellung angefreundet hat, dass auch eine verpfuschte Existenz durchaus lebenswert und gut sein kann, beginnt der Heilungsprozess. Es ist aber jedes Mal eine Herausforderung, mein Hirn dazu zu bringen, nicht gegen die Krankheit zu kämpfen und sich einfach in diesen Körper zurückzulehnen, egal wie unbrauchbar er sich gerade anfühlen mag.

Das Eigentümliche an Krankheit ist ja nämlich, dass sie die Wahrnehmung völlig in den Körper hineinzieht und man sich plötzlich keinen anderen Zustand mehr vorstellen kann. Und so kommt es, dass ich wirklich bei jeder Angina, die ich in meinem Leben schon ausgebrütet habe, das sichere Gefühl hatte, nie wieder gesund werden zu können und an meinen höllischen Schmerzen zugrunde gehen zu müssen. :)

Das Zweiteigentümlichste an Krankheit ist, dass sie einem Geburtsprozess ähnelt. Besonders die fiebrigen und entzündlichen Erkrankungen sind sozusagen Gebärbeschleuniger, wenn es um neue Ideen oder die Entwicklung der Persönlichkeit geht. Das sollte chronisch Bettlägrige jetzt nicht dazu verleiten, ihre schleissige Immunabwehr mit einer hochentwickelten Persönlichkeit schönzureden, so geht das nicht!

Das dritteigentümlichste an Krankheiten: jeder Mensch hat so seine Lieblingskrankheiten und es ist unglaublich spannend, zu untersuchen, woran sie gekoppelt sind. Mein Körper hat die Angina gewählt, um meine Gedanken zuverlässig zurückzuholen, wenn sie sich für längere Zeit auf ungesunde Weise vom Hier und Jetzt entfernen. Angina ist meine zuverlässige Geheimwaffe gegen jede Art von Besessenheiten und Abhängigkeiten. Dieser Eintrag ist da ein sehr gutes Beispiel...

Fazit: ich lenke mein Hirn ab, lasse meinen Körper tun was er gut kann und bin gespannt, mit welchem (geistigen) neuen Baby ich meinem Krankenlager wieder entsteigen werde...

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