8 Kelche
Der Antritt einer Reise nach Innen, manchmal passiert er mir fast von selbst, manchmal erkämpfe ich ihn durch Krankheiten aller Art. Weil ich schnell Schuldgefühle bekomme und nervös werde, weil ich schon wieder „nichts getan“ habe, muss ich mich dazu zwingen, echtes Nichtstun zu kultivieren. Nur so wird mein Tun wieder sinn-voll und geht mir leicht von der Hand.
Ich messe meine menschlichen Erfolge an meiner Fähigkeit, die To-Do-Liste erst gut zu füllen (leicht) und dann erfolgreich abzuarbeiten (hoffnungslos). Leider sehe ich mich wegen einiger unerledigter Punkte flugs unter der Brücke enden - und sosehr ich um die Absurdität derartiger Gedanken weiß, so wenig gelingt es mir, ihnen keinen Glauben zu schenken.
Wenn ich also der Angst und Bange verfalle, am Rande der Depression entlang kratze und erst recht nichts gebacken bekomme, wird es Zeit für folgende Frage:
Wie kommt es, dass ich überhaupt tätig werden kann?
Unter allen meinen Handlungen, Gedanken und Worte schwingt etwas viel Tieferes: der Urgrund des Seins überhaupt. Es war zuerst da und aus ihm erwuchs mir die Möglichkeit, körperlich zu sein, Entscheidungen zu fällen, mich mitzuteilen, zu entwickeln und als etwas Lebendiges zu erleben. Diese Schwingung-vor-Allem ist keine Einbildung irgendwelcher Hippie-Trippie-Leute. Nach eingehender Prüfung durfte ich auch feststellen, dass sie keine Glaubensfrage ist. Wer - wie ich - sein Leben lang auf der Autobahn verbracht hat, muss nicht an das Geräusch von Bienensummen glauben, er muss von der Autobahn hinunter.
Dieser Ur-Puls (den ich nicht besser beschreiben möchte) ist gerne bereit, sich in mir auszubreiten; allerdings stellt er Regeln auf: hinsetzen, Mund halten, ruhig bleiben! Nein, nicht wie Schule. Schon eher wie der Versuch, in einem Boot sitzend auf den Grund eines verzauberten Teichs zu blicken.
Trage ich den Anblick dieses Grundes in mir, ist keine meiner Handlungen mehr banal, denn ich fühle sie ihm entspringen. Ich erfahre, dass ich zuallererst BIN und dadurch erst MACHE. In der Bewusstheit meines Seins erhält mein Machen eine ganz andere Gewichtung. „Besorgungen“ schrumpfen allmählich zu dem was sie sind: eine von vielen Möglichkeiten, durch die sich mein Sein ausdrückt. Nicht zappeliges Herumspringen und Mich-Bemerkbarmachen ist Lebendigkeit. Mir Zeit zu nehmen um zu fühlen, dass ich bereits im ruhigen Dasein vor Leben übergehe - das schon.
1 Kommentar:
Der Rabe und ich sind uns einig: Im kommenden Jahr wünschen wir uns, mehr von dir hier zu lesen. Es ist so erfreulich profund. Danke erstmal bis hierhin und, Anuja und der gefiederte Autobahn-Überflieger
PS: Übrigens bin ich immer, wenn ich mal eine zeitlang von der Überholspur runtergekommen bin, höchst erstaunt, um wieviel leichter es sich lebt ohne meine ("Ego-")Einmischung in das, was sich von ganz alleine viel besser tut.
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