Montag, 29. Mai 2006

Regen-Blues


Es schüttet. Irgendwann hab ich kapituliert, mir Schuhe und Socken ausgezogen, die Hosen hochgekrempelt und bin barfuss durch die Stadt.
Und jetzt fehlt er mir, es tut weh. Ich kenn ihn überhaupt nicht, aber etwas an ihm finde ich so liebenswürdig, so herzerwärmend, dass er mir grade jetzt, in diesem scheußlichen Wetter besonders abgeht. Ich fühle mich ganz allein hier, mit meinen nassen Füßen. Ich würde eigentlich gerne heulen, das geht hier nur nicht. Es reicht, dass mich ein toller Mann auf einen Kaffee einlädt, meine Nummer bekommt – und ich bin nicht mehr dieselbe. Die Hoffnung, dass er sich meldet, habe ich mittlerweile aufgegeben. Trotzdem marschiere ich irgendwie halb durch die Gegend, fühle mich traurig, ungeliebt, nicht liebenswert. Ich kann nicht akzeptieren, dass er sich’s eben vielleicht anders überlegt hat. Dass ich ihm nicht so gefalle, wie er mir; das fällt unendlich schwer hinzunehmen. Etwas anderes bleibt mir aber kaum übrig, schließlich habe ich vergessen, um seine Nummer zu bitten (was ziemlich weise war, denke ich mir jetzt). Warten. Warten. Warten während ich versuche, zu vergessen. Oh, eine Königsdisziplin. Ich frage mich, ob ich mit 80 auch nur ein kleines Stück weiter sein werde, als heute. Es macht mich krank, unglücklich und müde; abstellen kann ich es trotzdem nicht. Und gerade jetzt ist ein Mann zur Tür hereingekommen, der dunkelblondes Haar und einen Flötenkoffer in der Hand trägt. Vor meinem inneren Auge rollen die Jalousien herunter. Grausam.
Ich wünsche mir, ganz zu werden. Es mehr so sehen zu können wie es ist. Warum komme ich mir so entwertet, bewertet vor, wenn sich einer nicht so für mich interessiert, wie ich’s mir wünschen würde? Was kann ich denn jetzt tun?
Tee trinken. Füße auf den Heizkörper legen. Jetzt.

Keine Kommentare: