Samstag, 06.10.2007
Lese gerade für meine Arbeit über Otto Dix. Ich bin ganz fasziniert, kann aber noch nicht ganz in Worte fassen, weshalb und worüber... Am meisten rätsle ich noch über meine Herangehensweise im Bezug auf Politische Ikonografie. V.a., weil Dix die politische Politik verabscheut (er ist ja trotzdem ein politisches Wesen). Er ist vielleicht der neutralste Künstler, mit dem ich mich je eingehender beschäftigt habe. Ein unverwickelter, zynischer Menschen- und Lebensfreund. Erinnert mich an Heraklits Vorstellung von einer Welt und einem Fluss der Polaritäten. Nur dazwischen liegt die Wahrheit; die Welt ist nicht nur häßlich oder schön, aber sie besitzt immer Schönheit... Ich lerne viel von seinem Blick.
Sonntag, 07.10.2007
Denke mir heute, dass ich wohl doch eigtl. keine Kunsthistorikerin, auch keine gute Kunstbetrachterin im Sinne Dix' bin. Mir fehlt das Auge. Dix, das mag ich ja so, liegt das Herumgedenke & -philosophieren nicht. Er findet alles in der Betrachtung, obwohl seine Bilder viell. nicht völlig selbsterklärend sind. Jedenfalls denke ich mir heute, dass ich vielleicht irgendwie 'blind' bin. In der Kunst sehe ich so schwer etwas. Es kostet mich enorm viel Aufwand, da meine Lider aufzukriegen. Das ist komisch, weil ich sonst ein sehr fein-sinniger Mensch bin. Ich sehe viel, nur viell. eher i.d. Bereichen, wo man nichts sehen kann (lustig).
Nicht in der Kunst, vielleicht ganz besonders schwer in Dix' Kunst, wo soviel auf der Hand liegt. Trotzdem fesselt er mich, es ist so, als könnte ich mit den Wimpern etwas berühren, aber der Blick ist noch nicht kräftig genug, die Vorhänge zu heben. Wirklich zu verstehen, zu begreifen...
Jedenfalls packt mich so eine Lust, sehen zu lernen. Ich denke mir heute sogar, dass mein Blick verbraucht, müde sein könnte. Es gelingt mir nicht, den Dix anzuschauen, als wäre er das Allererste, was ich jemals betrachtet hätte. Genau das braucht der aber, glaube ich. Ich ahne, dass nämlich der Schleier, der vor meinen Augen hängt, aus allen Kategorien, Analysen und Schubladen besteht, die ich mir mit den Jahren zusammengelernt habe. Ich ahne, der Dix malt die Wirklichkeit; roh, schön, hart - so wie ich sie vielleicht bei der Geburt noch gesehen habe. Ich kann das nicht beschreiben. Weil ich da ja auch noch nur geschaut habe.
Ich stelle fest, dass ich anscheinend in all dieser Auseinandersetzung mit der Kunst zu erblinden begonnen habe. Ich weiß nicht, was sie will, wohin sie will, was ich mit ihr machen soll. Ich weiß nur, ich gehe z.B. vor so einer lasiert gemalten Obstschale in die Knie. Und - ohne zu wissen, dass auch er lasierend malt - jetzt klebe ich plötzlich an Otto Dix.
Ich denke mir, es wäre doch toll, wenn man so einen Maler jenseits aller Genius-Mythen einfach neben sich haben könnte. Als Lehrer im Betrachten. Ich denke - wer ein Kunstwerk richtig anzuschauen weiß, muss irgendwie ein - naja - 'besserer' Mensch sein. Nein, ehrlich... Wie die Nazis den Friedrich + die Donaustil-Maler in einen Topf gehauen haben... Scheißvergleich, aber... Schauen konnten sie nicht... Nicht so wie ich das möchte. Ich will mich einmal 2 oder 3 Stunden vor so einen Dix hocken und Sehen lernen. Das ärgert mich so furchtbar, dass ich es nicht kann! Und ich hab das Gefühl, da muss ich durch, da geht es weiter.
1 Kommentar:
Hallo, Artemis!
Ich gebe hier mal meinen nicht akademisch indoktrinierten Senf dazu und beziehe mich hierauf:
"Ich stelle fest, dass ich anscheinend in all dieser Auseinandersetzung mit der Kunst zu erblinden begonnen habe. Ich weiß nicht, was sie will, wohin sie will, was ich mit ihr machen soll. Ich weiß nur, ich gehe z.B. vor so einer lasiert gemalten Obstschale in die Knie. Und - ohne zu wissen, dass auch er lasierend malt - jetzt klebe ich plötzlich an Otto Dix."
Nach meinem Empfinden will Kunst nichts. Ebenso, wie die Liebe nichts will. Sie sind sich selbst genug.
Alles, was darüber hinaus geht, ist herbeigedacht vom Verstand, der von Kunst und Liebe nichts versteht und daher nur dummes Zeug erfindet, um sich wichtig zu machen.
Solltest du Dinge nicht sehen, die "man" sehen sollte bei der Betrachtung eines Kunstwerkes, weil irgendein Professor oder eine Kunsthistorikern das mal irgendwo so festgelegt hat, dann gratuliere ich zu einer gesunden Blindheit. Es gibt keine "objektive, allgemeingültige Kunstbetrachtung", nur subjektiv gefärbte und nichtrelevante Interpretationen.
Kurz: Das einzige, was ich für wichtig erachte beim Betrachten eines Bildes, ist das, was es in mir auslöst! Ob ich mitschwinge, resoniere - oder nicht. Wie bei Musik, nur, da wird es offensichtlicher, denn da ist klar: Entweder sie gefällt dir - oder nicht. (Obwohl selbst dort viele Quacksalber unterwegs sind, besonders im klassischen Bereich)
Ich finde den Herrn Dix genial und auch seinen Zeitkollegen George Grosz, der ebenfalls ein scharfes Auge hatte, wenn auch anders - halt subjektiv, wie die Liebe. Beckmann ist ein weiterer Favorit bei mir, eigentlich mein Liebster. Alles Genies.
Mein subjekitives Empfinden zu Otto Dix ist, daß er sehr wütend gewesen sein muß und seine eigene Geschichte, Gefühlswelt und vor allem auch sein eigenes Kriegstrauma miteingebracht hat in seine Betrachtung der Wirlichkeit und der Menschen um in herum. Nicht umsonst sieht man bei ihm zerfetzte Eingeweide und viele Invaliden.
Ich bin überzeugt, daß er den Menschen auch einen Spiegel vorhalten wollte, ihnen zeigen wollte, daß das, was offiziell tabuisiert wurde, unausgesprochen bleiben sollte, verleugnet wurde - wie eben auch dieser erste Weltkrieg und seine Folgen allerorten - sehr gut sichtbar ist, auch wenn niemand drüber redet.
Er macht einfach Dinge sichtbar, die nicht gesehen werden sollen, die aber doch so offensichtlich sind. Gerne hätte ich Zeichnungen und Bilder von ihm zu unserer aktuellen Welt gesehen!
Ich bin sicher - sobald du einfach alles wieder vergißt, was du an Theorie gelernt hast über Betrachtung, hast du wieder Adleraugen.
Natürlich gibt es auch interessante Theorien, habe mir kürzlich ein Buch geschenkt zur "Sozialgeschichte der Malerei von Jutta Held und Norbert Schneider, welches vesucht, diverse Künstler und ihre Werke vor ihrem jeweiligen gesellschaftlichen, historisch-geprägtem Kontext zu sehen - das ist zweifelsohne interessant. Aber ich brauche es nicht, um zu erkennen.
Danke für die Erinerung an Herrn Dix & Co., Erinnerungen an kunstschwangere Zeiten keimen auf, Anuja
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