Sonntag, 30. September 2007

yamas: asteya

Asteya

Nicht-Stehlen, das Recht anderer nicht verletzen, Großzügigkeit


Ich gehe durch eine Phase der ständigen Sorge. Zum ersten Mal in meinem Leben begegne ich existentiellen Ängsten, die nichts mit der Todesangst zu tun haben, die mich jährlich in Schüben bei Winterbeginn und im Frühjahr besucht. Ich fürchte mich auf einmal nicht mehr vor meiner persönlichen Endlichkeit, sondern vor der schrecklich kurzlangen Spanne, die es "bis dahin" noch sinn-voll zu machen gilt. Ganz nach dem Motto:


„Wie kriege ich die Zeit vor meiner Beerdigung noch rum?“

Ich bin überrascht von dieser mich ständig überrumpelnden Lebensfurcht und von der Heftigkeit der Sorgen-Schleife, die mich von einem „Problem“ zum nächsten schleudert, während ich bei Sonnenschein mit Tee auf dem Sofa sitze (und nicht hungrig unter der Brücke). Da sehe ich mich aber schon enden und fühl ich mich, als würde ich im freien Fall durch das Netz der Schöpfung stürzen, zu klein für jede Masche – ein zu unbedeutender Fisch, und zugleich ein ganz armer.
Nebenher beschäftige ich mich halbherzig mit Asteya und irgendwann geht mir der Knopf auf. Das eigentliche Problem sind ja nicht die Probleme, sondern die Natur der Sorge: zwar ist sie völlig zwecklos, hat dabei aber einen hohen Suchtfaktor. Bequem ist sie auch; eine scheinbar natürliche Reaktion auf alle Hindernisse und Unergründlichkeiten. Und wie kraftlos das Sorgen macht! – da hält nicht einmal der anstrengendste Versuch, ein Hindernis zu überwinden, mit.

Da liegt sie plötzlich sonnenklar vor mir, meine Aufgabe des Augenblicks: das Sorgen nicht nur als zwecklosen Zeitvertreib zu erkennen, sondern als gemeinen Diebstahl. Es geht dabei nicht nur um den Raub des Antriebs, sondern auch darum, dass durch das Suhlen in Zweifeln und Sorge der Mensch seine grundsätzliche Fähigkeit, Verantwortung und Da-Seinsberechtigung zu vergessen beginnt. Ganz davon abgesehen, dass er sich um die Entwicklung von Vertrauen, Hingabe und Gelassenheit bringt.
*~*~*

Und nebenbei: schon komisch, dass wir so ganz natürlich und selbstverständlich mit diesem Hirngefängnis „Sorge“ aufwachsen, Stichwort: Vor-Sorge (sich schon im Voraus sorgen), Sorg-Samkeit (manche meinen damit Gründlichkeit, die hat aber nix mit Angst zu tun), Für-Sorge (mich für den anderen gleich mitsorgen, vielleicht hilft es ja…). Vielleicht nur Wortspiele, aber sie deuten dennoch an, für wie berechtigt die Sorge gemeinhin gehalten wird. Ein "sorgloser Umgang" wird ja üblicherweise nicht so gerne gesehen...
"Warum vorsorgen?" fragt diese Bank und gibt die
Antwort:

"Ihre Sorgen möchten wir haben"

... und die Verantwortung übernimmt die richtige
Bank/Versicherung...

Juhu, Sorgen machen - aber richtig!

(Für Nicht-Österreicher: der nette Herr links ist von der Bank, der Papa rechts hat gegen diesen Babysitter anscheinend nichts einzuwenden.)

3 Kommentare:

Sati hat gesagt…

Sehr interessanter Beitrag. Um-sorgen und be-sorgen fielen mir ergänzend noch ein, aber was das mit sich-sorgen zu tun haben könnte, weiß ich gerade nicht.
Ja, es stimmt: Das Sich-Sorgen ist ein großer Zeitverteib bei uns und wird für völlig normal gehalten. Wenn du trotz gering verfügbarer materieller Mittel und bekennendem Nichtwissen um die Zukunft ("Und, was machst du dann?" - "Ich werde Hellseherin, um in Zukunft solche Fragen beantworten zu können.")lachend und vermeintlich sorg-los voller Vertrauen ins Leben durch die Gegend läufst .... mußt du zumindest sehr glücklich mit dir selbst sein können, denn mit wem willst du diese Freude teilen?

Ich mache gerade auch gerade einen interessanten neuen Selbstversuch: Ich erlaube keinem sorgenvollen Gedanken mehr, sich an mein Energiefeld anzudocken. Bin gespannt, was geschieht!

Ich wünsche dir von Herzen eine sorgenfreie Zeit und danke für deine reflektierten Posts, Anuja

Sati hat gesagt…

PS: Der Herr von der Versicherung ist ja ebenso schön wie der Herr Kaiser hier bei uns!

Die Wortverwandtschaft von Sorge und Sich-sorgen hat mir zwar keine Sprgen bereitet, mich aber beschäftigt gehalten. Gestern suche ich ein anderes, besseres Wort und es kommt raus Sich-kümmern - kommt von Kummer. Was ist denn da bloß schief gelaufen. Dann fiel mir als eher wertneutrales Wort noch hegen ein. Hege wie Aufzucht. Und wenn es dann bei den Kleinen mit der Hege nach erfolg-reicher Aufzucht vorbei ist, bräuchte sich auch wirklich niemand mehr sorgen oder kümmern. Kein Partner auf diesem Planeten müßte mehr umsorgt werden und dabei verkümmern - jeder dürfte so bleiben, wie er ist. Oder so....
Anuja

Ursel hat gesagt…

Grüss' Dich, Artemis !

Ich danke Dir für Deinen Blog.
Hab zwar länger nicht mehr vorbeigeschaut, aber dafür heute länger :)
Sorgen macht krank, verkrampft..genau !
Ich glaube leider, Frauen sind mehr darauf konditioniert, sich um alles und für alle Sorgen zu machen..

Die Reiki-Lebensregeln

Kyo dake wa
Gerade heute / nur heute ...
Ikaruna ... ärgere dich nicht,
Shinpaisuna ... sorge dich nicht,
Kanshashite ... sei dankbar,
Gyo-o hage me
... arbeite hart (an Dir selbst),
Hito ni shinsetsuni
... sei nett zu (Mit-) Menschen.

Auch beim Reiki ist die innere Arbeit mindestens ebenso wichtig wie das Behandeln von sich und Mit-Menschen.

Ja, wenn man in Deutschland Kinder bekommt und das "Felicitas"-Werbepaket bestellt, wird man auch gleich von der Hamburg-Mannheimer angerufen, um eine Lebensversicherung für das Neugeborene abzuschliessen. Als ich dann sagte, dass ich sowas nicht brauche, wurde ich fast für unverantwortlich hingestellt.

Schöne Grüsse nach Österreich

Ursel