Montag, 13. November 2006

wandel, öffnung


Die Seiten in meinem Tagebuch warten seit Wochen auf einen neuen Eintrag. Überhaupt ist das weiße Blatt Papier ein Sinnbild meines momentanen Zustands: ich rutsche immer mehr ins Jetzt zurück und bleibe hier. Ich werde immer kleiner, ahnungsloser und stärker in einer daraus erwachsenden Klarheit. Ich habe endgültig keine Ahnung mehr, wie ich meine Ideen zu Papier bringen soll.
Ich greife zur Kamera.


Ich lese wie besessen, ich bete, ich fühle die Hände, die mich führen immer stärker und auch den Fluss des Lebensplans, dem ich ins Gesicht grinse (*zwinker mal rüber zur merla*). Ich betrachte die dunklen Seiten des Lebens, unserer Welt und unserer Politik, vor denen mein überbordender, kindlicher Optimismus kleinlaut in die Knie gehen muss. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich tatsächlich täglich zur Zeitung greifen soll, oder lieber nicht. Vielleicht sollte ich überhaupt einmal damit anfangen. :)


Ich beschließe, meinem Lebensplan die Hand zu geben und will zum Werkzeug werden. Stark, klar, offen. Ich stelle fest, dass meine Arme und Schultern stärker geworden sind - kommt nicht nur vom Yoga. Mein Körper hat begonnen, mir zu vertrauen - keine Bestrafungen und bösen Gedanken mehr und schwups!, ist er ein starker Helfer geworden.



Ich lerne:
Menschen fühlen nur den Wandel. Wenn sie etwas dauerhaft erreicht und in sich verwurzelt haben, nennen sie das "Plateau".


Im Skulpturen-Park vor dem Skizzenmuseum treffe ich vor einigen Tagen ein paar sehr fotogene Blätter. Ich lerne: Fotografieren ist in allererster Linie eine Angelegenheit von Liebe für das Objekt. Je mehr Zeit ich an diesem Vormittag mit den Blättern verbringe, desto mehr habe ich das Gefühl, dass sie es sind, die Freude daran haben, mir ihre Schönheit zu offenbaren.


Eine alte, runzlige Frau geht vorbei und sieht mir zu, wie ich im Kies herumwusle. Sie ähnelt den Blättern, ein bisschen vertrocknet und irgendwie vom Baum gefallen. Ich frage mich, welche ungeahnte Schönheit sie vor dem liebenden Auge einer Kamera wohl entfalten würde?


Hachja.
Das Leben, eine wunderbare Backstube.

6 Kommentare:

Sati hat gesagt…

Schön!
Meine Tagebuchseiten blieben übrigens leer in den vergangenen Wochen, es ist nicht mehr oft eine Person da, die etwas erzählen und Geschichten kreieren möchte. Heute morgen trug ich genau das ein. Das Geliebte offenbart sich nun. Langsam, manchmal schnell, zart, freudig, ängstlich, kraftvoll, lachend, schmerzhaft, sinnestrunken, glückselig.... wie auch immer - es darf jetzt sein. Kein plapperndes Ego mehr, welches mir erzählen will, es sei Anmaßung, so etwas "zu denken".
Gruß an dein Tagebuch und alle Blätter, Labbatú y ElCuervoContento

sebastianne hat gesagt…

wie schön die fotos sind...


liebe grüße,
anne

kvinna hat gesagt…

Dafür, dass du endgültig keine Idee mehr hast, wie du deine Ideen zu Papier bringen kannst, hast du deine Bilder aber sehr treffend betextet.

Wir schöpfen auch aus der Überfülle verschiedenster Blätter um uns...

MyM hat gesagt…

ich schließe mich an in bewunderung für den die schönen herbstlichen und gefühlvollen bilder, mit der schönen betextung

Anonym hat gesagt…

hallo artemis,
ich erfreue mich deiner texte und bilder immer wieder aufs neue. kann viel von mir selbst in deinen stimmungen wiedererkennen, vielleicht sind wir ja seelenschwestern. danke!!! es ist sicherlich schwer, immer wieder was neues zu schreiben. laß deiner seele die zeit, die sie dafür braucht. entwicklung braucht zeit, geduld, liebevollen umgang mit sich selbst.danke für deine wahnsinnsoffenheit. den umgang mit themen/tabuthemen wie dem tod usw. ich finde es sehr mutig von dir, dich in diesem raum hier so offen und ehrlich zu zeigen. du rührst mich oft sehr an, berührst das innere meiner seele. nochmal dank dafür, gabi

artemis hat gesagt…

Danke für die Komplimente, ich werd's den Blättern ausrichten!
Die (Lebens-)Seiten beginnen sich langsam zu füllen, momentan sind es noch zarte Linien und Skizzen, aber die Puzzlesteine beginnen sich zusammenzufügen zu einem neuen Bild.
Bin neugierig, was mir das Leben nach dieser neuen "Ausbildungsphase" als Aufgabe vorlegt. Aber ich bin mir sicher, es dauert nicht mehr lang...