Samstag, 26. April 2008

ich bin die, die deinem essen das essen weg isst

Esse seit über einem Jahr fleischlos. Konnte mir in Schweden kein gutes Fleisch mehr leisten. Und bin einfach dabei geblieben.

"Da hast du eh aus einem guten Grund aufgehört", sagt die Freundin, "nicht wegen so einem Blödsinn wie - dass dir die armen Tiere Leid tun!"

Ja - Mitgefühl zählt nix! Dass es viel Blut und Leid kostet, dass mich die Wurst aus meiner Semmel anlachen kann, war mir egal. Erst als sie mich zuviel gekostet hat, hab ich ihr Adieu gesagt.

Heute aber, mit der nötigen Entfernung, kann ich mir eingestehen, dass mir die armen Tiere schon Leid tun und dass ich sie auch deshalb nicht mehr esse. Ich kann es auch wagen, gut hinzuhören, wenn ich am Schlachthaus vorbeigehe.

Mit der nötigen Entfernung erscheint es mir immer absurder, Fleisch zu essen. In mein Leben passt das nicht mehr. Vielleicht hat es mit dem Yoga zu tun - auch andere berichten, dass sich ihre Praxis irgendwann bis zum Teller erstreckt hat.

Ja, wir sind schon Gutmenschen!

Ich weiß übrigens, dass auch das Gemüse für mich sterben muss. Die Frage, ob es dann überhaupt sinnvoll ist, sich über die Wertigkeit von getötetem Getier und Gemüse den Kopf zu zerbrechen, werde ich hier trotzdem nicht zu beantworten versuchen.

Tatsache ist, dass es einen unendlichen Aufwand bedeutet, dass heute jeder Westler täglich und zu Spottpreisen Fleisch konsumieren darf. Zusätzlich zum Menschen müssen Tiere ernährt werden.

Es muss auch niemand darüber aufgeklärt werden, wie diese Tiere ihr Leben verbringen.

Diese Tatsache erschüttert aber in etwa so stark, wie die schwarz-weißen Aufschriften auf den Zigarettenpackungen wirksam sind.

Das Fleisch auf dem Teller kommt mit einem ganzen Rattenschwanz an Ideologien und Vorstellungen daher. Es ist gesund. Es macht stark. Und das Protein brauchen wir auch. Hätte ich anders als aus Zufall mit dem Steak Schluss gemacht? Nein. Zu groß wäre die Verunsicherung gewesen. Der Verzicht! Und was soll ich dann noch kochen und essen?!

Aber so bin ich eines Tages aufgewacht und habe festgestellt, dass ich seit Monaten unglaublich gut esse. Ohne Fleisch. Wie konnte das geschehen?

Also - seht ihr, ich bin nicht gefühlsduselig. Ich lasse mich nicht von den Berichten über die armen Schweine, über die armen Kälber, über die armen Hühner und die leergefischten Meere überzeugen. Bei mir fanden nur monetäre Argumente Gehör. Damit komme ich auch bei den Fleischessern sehr gut an. Die haben nämlich nicht das Gefühl, dass ich ihnen ein schlechtes Gewissen machen will. Sie hören mir zu und dann, ganz hinterhältig, schlage ich zu!
Es geht ja nicht um das Fleisch. Es geht um alle Dinge, die wir uns auf unsere Teller wuchten. Viel zu oft. Viel zu viel. Und von diesem vielen und reichlichen Verzehren bemerken wir nichts, weil es vor dem Fernseher passiert, oder dem PC, oder auf der Straße. Warum brausen sie dann alle so auf, wenn man Verzicht vorschlägt? Warum nahm ich so selbstverständlich hin, dass ein Lebewesen tatsächlich leiden muss, damit ich es essen kann?
Würde ich eine Tomate vom Strauch nehmen? Würde ich so ohne weiteres mein Schnitzel schlachten, meine Hühnerbrust rupfen? Einmal vielleicht. Aber so oft wie es nötig wäre, damit ich jeden Tag so essen kann? Es gibt einen Grund, warum an abgeriegelten, vermauerten, versteckten Orten geschlachtet wird.
Warum bin ich mir sicher dass es schräge Blicke hageln würde, würde ich öffentlich meine Dankbarkeit (auch der Erde gegenüber) aussprechen für das, was vor mir am Teller liegt?
Es ist ja letztendlich wurscht, ob jemand aus Mitgefühl aufs Tier verzichtet, wenn er kein Mitgefühl für das hat, was das Tier hervorgebracht hat: die Erde. Denn woher sie ihre Nahrung nimmt, um uns zu ernähren, ist uns schnurz. Die Würmer, Insekten, Bakterien und Pflanzen, die sie so dringend braucht, um gesund und nährstoffreich zu bleiben, interessieren gemeinhin niemanden. Die werden ausgerissen, niedergespritzt, weggegiftet.
Schlussendlich geht es bei einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Essen darum, zu erkennen, was den Esser langfristig am Leben erhält. Es geht um die Frage, ob ich bereit bin, auch selbst lebensfördernd zu handeln. Es geht um die Erkenntnis von Kreisläufen; den Willen, Kreisläufe zu schließen durch die Erde ernährendes Handeln; den Mut, der eigenen Gier ins Gesicht zu blicken.

Mittwoch, 23. April 2008

den kopf in den wolken

Ist mir doch wurscht, wenn das ein zuckersüßer Eintrag wird! Ich wollte eigentlich über den Ernst des Lebens berichten, als mich der Wattebausch der Romantik unerwartet am Hinterkopf traf. Also schnell eine 180 Grad-Wende um meiner Laune Ausdruck zu verschaffen. Hach! Denn um ehrlich zu sein: es wäre alles nur halb so lustig ohne dieses Etwas, das echtes Leben filmreif macht:

Die erste Fahrt über die nächtlichen Champs-Elysée: in einem ausrangierten Einkaufswagen. Sieben Jahre alt.

Elfen sehen und Rond-Bidons jagen, die sich am Dachboden verstecken.

Vor Sonnenaufgang aufstehen um den Eisvogel zu fotografieren.


Das Knistern alter Kleider in alten Kisten, das Schaukelpferd des Ur-Ur-Onkels daneben.

Die Füße im Hallstätter See, Bergpanorama.

Die Zigarette, der Sonnenuntergang - allein mit Miles David an einem Fensterbrett im Zentrum von London.

Der liebesbedürftige Esel am Strand von Folegandros.

Die Zugstrecke über den Semmering.


Das neue Jahr auf einer Bergspitze begrüßen.

Der Geruch von Jasmin und Hundescheiße in Grasse, Blumen im Haar.

Die Hochzeit eines Franzosen und einer Rumänin im Lavendelfeld.

Weihnachtslichter auf den sommersprossigen Wangen einer Freundin.

Folgende Umstände:

Kopfsteinpflaster, alte Mauern.

In der Oper weinen.

Die Gesellschaft einer Amsel.

Zu 80 den 80. Geburtstag der Großmutter feiern. Das Festessen!

Grauburgunder, Schwarzbrot, Weinberge.



Noch Vorschläge?

Dienstag, 8. April 2008

von außen betrachtet

Eine Handvoll, oder auch ein paar Dutzend Menschen treffen sich in einem Raum.

Vielleicht kennen sie sich schon lange, vielleicht gar nicht.

Ohne Worte wissen sie, wohin sie sich stellen oder setzen müssen.

Sie nehmen Werkzeuge und beginnen, die Luft zum Schwingen zu bringen.

Es gibt dafür Gesetze. Aber nicht alle sind festgelegt. Und viele wollen neu gefunden werden.

Vielleicht beginnen jetzt einige zu sprechen.

Die Worte sind knapp, präzise, geladen. Die meiste Zeit verbringen die Menschen schweigend.

Das wichtigste Gesetz in diesem Raum lautet "Zuhören".

Freiwillig kehrt jeder sein Innerstes nach außen, verschmilzt mit den anderen. Das alles im Namen der schwingenden, vibrierenden Luft zwischen ihnen.

Wenn es vorbei ist und die Menschen wieder gehen, kennen manche vielleicht noch immer nicht die Namen der anderen.

Trotzdem liegt Wärme und Fürsorge zwischen ihnen; Freundschaftlichkeit.

Das ist es, was mich am Konzept Musik immer wieder so erstaunt.