Freitag, 9. Februar 2007

flamme


Seit Tagen geht mir die Idee zu diesem Post nicht aus dem Kopf. Meine Finger tippen um den heißen Brei, statt beherzt in die Tastatur zu greifen. Und grundsätzlich scheine ich jetzt in die Riege jener Blogger abgestiegen zu sein, die ihren Netzraum mit der Bemerkung beschriften, dass sie nicht wüssten, was sie schreiben sollten. Nein, so will ich das nicht. Nämlich, worum es hier auf den nächsten Zeilen geht, ist Gott.

Zitat aus einem Post von mir, geschrieben im September:
Ich bin sehr feig. Ich sage wenigen, dass ich glaube und fast niemandem, was ich glaube.
Daher die Startschwierigkeiten.

Meine Art von Glaube ist ein Wissen, eine Beziehung, ein fortfahrendes Gespräch, ein Licht, Inspiration, eine Hand, Erfüllung, Freude, ein geheimer Wundertrank.

Ich mag die Art und Weise nicht, wie Glaube oberflächlich so oft entweder mit Gefahr, oder mit Bethühnerei verbunden wird. Der/die/das Gott als ein Konzept zu verstehen, zu dem ermahnende Rachegebete und Hassgefühle gekarrt werden können; das Abgrenzung, Beschneidung und Regeln propagiert; das grundsätzlich nur auf Basis von Tauschhandel und als Müllhalde funktioniert... - ich sag es einfach gradeheraus: das ist falsch.

Diese Vorstellungen sind nicht falsch, weil sie die wahre Natur des Göttlichen womöglich beleidigen würden; sondern weil sie den Menschen verletzen und degradieren. Sie verletzen Menschwürde, beschneiden Menschenrechte - Rechte wie jenes zur immwährenden Weiterentwicklung, des Lernens ohne Schamgefühl, der Freude, Großzügigkeit, Offenheit und Freiheit. Das Recht der Menschen, die Göttlichkeit in sich zu entfalten.


Religionen (alle!) sind in meinen Augen überflüssig geworden. Heilige, Mittelsmänner, Kontaktpersonen ebenso. In dieser Ära geht der Kontakt direkt, ins Herz hinein, aus dem Herz hinaus. Vermittler verfestigen nur das Konzept, dass das Gott etwas grundsätzlich von uns Abgeschnittenes ist. Als ob Segen und Gnade nur von außen kämen. Das Konzept der Mittelspersonen schneidet ganz leicht von unserer eigenen Macht ab:
"Bitte, lieber Gott, erledige das für mich.", "Bitte, Heiliger Soundso, halte Fürbitte für mich."

Immer, wenn man mit etwas in Verbindung steht, besteht die Gefahr, Verantwortung auf das Andere, das Außen abzuwälzen. (Und im Folgenden spreche ich der Einfachheit von dem Gott; auch wenn ich es als ungeschlechtlich sehe...)

Mein Weg ist nicht harmlos. Ich betreibe ihn nicht als Hobby, oder als Stütze, um leichter durch schwere Zeiten zu kommen. Er ist das Knochengerüst meines Lebens, mein innerster Kern aus dem heraus ich handle.

Auf diesem Weg setze ich alles daran, mich zu befreien von dem, was mich von mir und anderen abschneidet; und das zu kultivieren, was mich reicher, voller und heil macht. Mein Weg führt mich vor den Spiegel, in den Spiegel hinein - er zeigt mir meine Süchte, Abhängigkeiten, Grausamkeiten, meine Ausreden, Lügen und Verstrickungen - er lässt mich immer wieder auf mich selbst zurückfallen. Er ist nicht harmlos in dem Sinne, dass er immer angenehm ist. Das liegt aber nicht am Weg selbst, sondern daran, dass ich in den Mist hineinsteigen muss, um ihn zu verwandeln. Niemals geht mir auf diesem Weg nämlich Behtusamkeit ab, Geduld oder Liebe. Das Ergebnis ist, dass ich mich immer schneller und zugleich sanft entwickle.

Meine Art ist Hingabe. Alles, was ich auf diesem Weg lerne - Stillsein, Hinschauen, Mut, Wachsamkeit, Eins-Sein, Wahrhaftigkeit, Liebe, Kraft und Sanftheit - gebe ich zurück ins Kollektive Unterbewusste. Wenn einer mehr lernt, können alle mehr lernen. Die spezielle Konstellation die mein Ich ausmacht, lernt bestimmte Dinge besonders einfach, besonders tiefgründig. Kein Mensch macht seine Erfahrung nur für sich alleine, das Gelernte geht immer auch an alle anderen.
Und ich sehe um mich herum mit welchen Kräften ich es zu tun habe. Es ist erstaunlich.


Diesen Weg gehe ich nicht um Gottes Willen, sondern um der Menschen Willen. Das, was ich bin, möchte ich zu einem klaren, starken Gefäß formen. Mein Wunsch ist es, zum bestmöglichen meiner Ichs zu werden, jeden Wimpernschlag ein Stückchen mehr (Paradoxon: wir sind in jedem Augenblick perfekt, ich weiß...). Ich habe festgestellt, dass ich um so mehr tragen und bewegen kann, je mehr ich mich hingebe und auflöse.

Ich schreibe davon nicht, weil ich insgeheim auf Bravo-Rufe o.Ä. hoffe; auch nicht um irgendjemand von mir zu überzeugen. Ich bin über mein Bekenntnis sogar ein wenig beschämt (weil, wie gesagt:
Menschen eher öffentlich über ihre perversesten sexuellen Vorlieben/Gelüste plaudern, als über ihren Glauben und ihr religiöses Empfinden.)
Mein Beweggrund: zu üben, meinen Kern in irgendeiner Form zu vermitteln. Für andere, aber auch für mich, um Klarheit zu gewinnen. Meine eigene Scheu zu überwinden, für alles Worte finden zu können bloss für das nicht, was mich von Innen heraus bewegt. Und meiner Angst zu begegnen, mich lächerlich zu machen. Bin zur Zeit damit beschäftigt, das "Was-werden-die-anderen-denken?" und "Versteht-mich-auch-wohl-niemand-falsch?" in mir auszuhebeln.

Ah...