Freitag, 29. Dezember 2006

rauhnachts-meditation n°5

5. Rauhnacht: Prinzessin der Kelche


Karte aus dem Goddess Tarot

Ich lese Luisas Buch Das Gras wachsen hören. Die spirituellen Fähigkeiten des Körpers jetzt zum ... ca. 3. Mal. Und dieses eine Kapitel - Sex und spirituelle Energie - liegt mir schon wieder quer in der Kehle. Beim Bild der Prinzessin der Kelche muss ich daran denken.

Männer sind faul. Trotz der dramatischen Veränderungen, durch die Frauen gegangen sind, verhalten sie sich immer noch, als hätten sie es gar nicht nötig, auf Frauen einzugehen oder über ihr Verhalten und die Grundmuster von Beziehungen nachzudenken. Stattdessen machen sie den Frauen Vorwürfe: Weil ihr so stark seid, suchen wir uns Schwächere, "Emanzen" als Auslöserinnen für Kinderprostitution? Auf die Idee, endlich einmal an den verkrusteten Strukturen der Mann-Frau-Beziehung zu arbeiten, kommt kaum ein Mann.
S. 90 f

Frauen sind fair. Sie schreiben selten Bücher, in denen sie sich über die Versuche der Männer lustig machen, mit einer Frau "guten" Sex zu haben.
S. 86 f

Wenn Frauen so ehrlich wären wie in Frauengruppen, würden sich Männer nicht mehr ohne ihren Therapeuten auf die Straße trauen.
S. 86

So.
Ich werde mich hüten, die Sauereien, die Frauen immer noch und immer wieder, rund um den Globus, im Verborgenen und in der Öffentlichkeit erdulden müssen, hier schön zu reden. Ich will sie auch nicht übersehen. Ich will nur über was anderes schreiben. Nachdem viele Frauen (und Männer) Luisas Bücher lesen, gehe ich davon aus, dass sich eine nicht unerhebliche Zahl in dem Geschriebenen wieder erkennt. Und wer bei den obigen Auszügen "Ja! Stimmt!" gerufen hat, dem möchte ich sagen: es gibt Licht am Ende des Tunnels.

Es wird persönlich. Aber anscheinend muss es ja sein. "Wenn Frauen so ehrlich wären wie in Frauengruppen..."

Zunächst einmal: vielleicht ist es eine Generationsfrage, vielleicht gibt es tatsächlich so etwas wie "neue Männer", vielleicht hab ich Glück gehabt, oder die Luisa Pech, vielleicht ist es einfach das Leben, jedenfalls: in meinen Beziehungen und Liebschaften hab ich das so nicht erlebt. Die Männer, denen ich selbst mein Herz nicht gänzlich öffnen wollte (Hosenscheißer-Symptom), lasse ich hier einfach aus. Denen, die ich geliebt habe und liebe, kann ich guten Gewissens ein "Sehr gut!" ausstellen.


Alles Männer, die mich auf der Suche nach der Weibskraft nicht nur unterstützt, sondern in Riesenschritten weitergebracht haben. Männer, die bereit waren, der Wilden zu begegnen. Und, für mich besonders schön: sie haben mich auch den Wilden Mann kennenlernen lassen und mein Vertrauen in meine eigene Männlichkeit gestärkt.
Diese Lieben haben meine spirituellen Kanäle nicht geschlossen, wie von Luisa behauptet wird, sondern sie im Gegenteil weit geöffnet. Dementsprechen wurde auch der Sex zum Gebet, zu einem Tanz, einem Ausdruck purer Lebensfreude und Liebe.

Es wird gerne behauptet, dass Männern die Auseinandersetzung mit der wilden Ursprünglichkeit einer Frau Angst macht; dann werden sie gerne als Schwanzeinzieher gehandelt. Frauen, die aus Angst vor dem Einlassen Schaden bei sich und anderen anrichten, kommen meist ungeschoren davon (oder mit dummen "Ah, die Weiber..." - Kommentaren). Vielleicht ist das nur gerecht (Frauen die sich einlassen, werden ja auch recht häufig wieder "zurechterzogen"). Schwanzeinzieher gibt's bestimmt zur Genüge. Zum Thema "Wildheit" möchte ich nur kurz anmerken, was mir ein Freund einmal erzählt hat - es war ein sehr persönliches Gespräch, aber ich denke, unter diesen Umständen darf ich es erwähnen:

Er hat mit Frauen geschlafen, die sich selbst wahrscheinlich als "wild" bezeichnet hätten. Kratzen, beißen, schreien - alles dabei. Er war verliebt, hatte den ehrlichen Wunsch, den Frauen nahe zu sein, sich vorzutasten, zu forschen, Liebe zu machen. Es ging nicht, weil er irgendwann feststellen musste, dass sie ihre Körper "abgeschaltet" hatten, da ging nix durch außer beinah roher Gewalt. Sie hatte keine rechte Freude daran, er auch nicht, also haben sie geredet. Das fand ich sehr lustig, weil es ja oft heißt, dass die Männer zu den Prostituierten gehen, um "einfach nur zu reden"... Ja klar, ein guter Liebhaber muss schon sozusagen mit dem Hirn einer Frau Liebe machen können.

Meine Mutter hat mir erzählt, dass manche ihrer Klienten - besonders Frauen - bei der Shiatsu-Massage gewisse Berührungen einfach nicht spüren, selbst wenn sie mit der ganzen Hand und recht beherzt zugreift. Nix da. Körper ausgeschaltet. Warum das so ist, ist in jedem Fall verschieden, aber es hat fast immer auch was mit der Angst vor der eigenen Kraft zu tun.

Ich denke nicht, dass mit "Wildheit" diese fast schon körperliche Gewalt gemeint ist. Ich bin dieser Form von Vorlieben einmal begegnet und durfte sie frohen Herzens unter "Nein, nicht nochmal" einreihen.


Bei der Prinzessin der Kelche geht es für mich um die Entfaltung der weiblichen, wässrigen Kraft - sanfte Stärke, sagen die Chinesen. Wasser trägt über kurz oder lang jedes Hindernis davon. Fällt es von der Klippe, zerschellt es nicht am Boden - es kommt wieder zusammen. Das ist also keine Wildheit, die kratzt und beißt, finde ich (außer sie möchte, hehe), eher wie ein wilder Gebirgsbach - der natürlich ebenso furchteinflössend und ehrfurchtsgebietend sein kann - weil ihn einfach nichts zurückhält.

Ich habe als junges Mädchen häufig davon geträumt, eine Frau befriedigen zu müssen. Das waren riesenhafte, wilde, unheimliche Frauen, bei denen ich einfach nicht wusste, wo ich anfangen soll. Ich hatte panische Versagensangst. Es hat seine Zeit gedauert, bis ich vor meiner eigenen, wilden Ursprungskraft keine Angst mehr hatte. Ab diesem Zeitpunkt haben sich auch diese Träume verändert, ich wurde zur Handelnden, tauchte in mir selbst unter, fühlte mich geborgen und voller Kraft. Ich kann jetzt zum Mann werden, wenn ich möchte; und habe erfahren, dass in einer Beziehung zwei Paare zusammenkommen: Mann und Frau, seine Anima, ihr Animus.

Jeder Mann, der angesichts der großen Aufgabe, eine Frau zu befriedigen, zittrige Knie kriegt, hat also mein ganzes Mitgefühl. Ja, Frauenkörper sind komplexer, verschachtelter, anders vernetzt. Selbst hochsensible Männerkörper sind häufig weniger empfindlich als Frauenkörper, die Lust spielt sich noch mehr im Hirn ab. Eine Frau kann sich bei der Zeitungslektüre einen runterholen, darüber staunt der Mann nur so. Aber statt die Männer darob zu bemitleiden, oder sie sensibler machen zu wollen, kann man die ganze Sache ja umkehren und als Glück ansehen - weil sich beide Seiten wunderbar ergänzen.

Ja, klar, faule LiehaberInnen gibt's genug. Aber ich gehe wieder nach dem Spiegel-Prinzip: wenn mich ein Sex ungesättigt und unglücklich zurückgelassen hat, dann war ich eben noch nicht bereit für was "Besseres". Wenn ich keinen Orgasmus habe, dann liegt's nicht am anderen - der kann noch so hingebungsvoll werkeln, wenn etwas in mir nicht aufmachen mag, dann eben nicht. Der Körper hat schon seine Gründe.

2 Kommentare:

sam hat gesagt…

Hallo Artemis,

*****! Fünf Sterne für diesen Post!!
Danke!

Ich teile viele Deiner Erfahrungen. Vielleicht auch ein paar mehr üble als Du- naja, mehr fad als übel, weil mein Instinkt für Liebhaber, die (wirklich) Freude am Sex hatten in jungen Jahren nicht so ausgeprägt war wie bei Dir. So kam es, dass ich mich ihnen in der Liebe bald wieder verschloss, bzw. mich gar nicht erst öffnete- ich frag gar nicht, was da zuerst da war, deren Staffage oder meine. Vermutlich meine: Die Angst vor dem, was da hervorbrechen KÖNNTE und dem ich ausgeliefert gewesen wäre in absoluter Öffnung. Kommt davon, wenn die Liebe im Kopf stattfindet, der ist nicht umsonst eine Knochenkugel.

Und tatsächlich wars ein Mann, der mir damals diese Angst nahm, einfach dadurch, dass er selber keine Angst hatte, auch vor mir nicht, denke ich.

Körperferne, hmmm... allein die Ausdrucksweise, Frauen würden sich "einen runterholen", ihnen ginge was "auf den Senkel" usw. spricht Bände. Das sind Anleihen vom männlichen Empfinden, die da genauso unbedacht wie ehrlich ans Licht kommen. Da können die Frauen nebenbei eine Tausenblättrige Rose zwischen den Beinen tragen, wirklich angewachsen ist ihnen die offensichtlich nicht.

Ich denke, die Angst vor den Riesenwellen, dem Fluten des Körpers beim Sex liegt a priori bei der Frau, der die Kontrolle und ihre Kopfkinos vertrauter ist als die Hingabe.

Ich denke wie Du, dass das eine Generationsfrage ist. Zu "Luisas Zeiten" ging das Spiel anders ab, die Männer wussten meist auch gar nicht, wo sie hätten anfangen sollen, den Frauen zu gefallen (immerhin eine Vorrausetzung für die Liebe einer Frau)und haben sich verbogen unter deren Ansprüchen. Die Männer haben, glaub ich, schon eine bessere Nase entwickelt, früher waren sie einfach unerfahrener und deshalb weniger selbstbewusst, vielleicht auch wahlloser. Da hat sich tatsächlich viel getan (wieso schreibt da eigentlich keiner was drüber?) Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass mir heute Liebe und Hingabe beim Sex in Freude erwidert wird, ja fast dankbar, nie mehr wurde mir irgendein Strick draus gedreht.
Früher schon. Hass- und Bindungsstricke, das Komm-Her-Geh-weg-Spiel, Angst, Geborgenheit nur eine Viertelstunde lang, der Tanz auf der Klinge -alles diese Borderliner- Spiele, und immer warns irgendwelche Softies von denen ich heute nach den ersten zwei Sätzen schon einen Ausschlag krieg.

Die Fähigkeit der Frauen zur Selbstbefriedigung ohne Hände ist ein eigenes Kapitel. Darüber staunen sie auch heut noch, das stimmt - wird halt nicht wirklich oft thematisiert...
Aber Angst? Ist mir deshalb nicht begegnet. Ich denke, das ist wieder mal so eine Projektionsnummer. Eher ein freundlicher Neid auf die Fähigkeit, Ganz Körper und Fliessen sein zu können.

Ich finde es wunderbar (ich alte Frau, hihi) - wie sehr viel sinnlicher, körperlicher viele junge Frauen heute sind, mir haben halt damals oft lieber unsern Hesse gelesen anstatt uns gegenseitig zu befeuchten.

artemis hat gesagt…

Sam,

der letzte Satz, :D , zum Niederknien...

Ja, ich denke auch, da hat sich was getan. Ich weiß aber nicht, ob da wirklich niemand was drüber schreibt - ich müsste suchen, aber da gibt es ja schon einige Klassiker über die Yoni; von Männern geschrieben. Hab's zwar nicht gelesen, aber ist mir vor einiger Zeit über den Weg gelaufen: Die Yoni (nur als Beispiel, der Preis ist ja haaresträubend). Aber hm, wirklich öffentlich und diskutabel ist das gesamte Thema ja trotzdem nicht (und nicht mit allen Männern...). Eines ist mir nämlich schon vor einiger Zeit gedämmert: wenn Frauen in aller Öffentlichkeit so ehrlich wären wie in Frauenrunden, bräuchten Männer vielleicht tatsächlich Therapeuten... Ich weiß nicht woran es liegt, aber die meisten Frauen sehen es nicht als Vertrauensbruch dem Liebhaber gegenüber, wenn in einem Gespräch unter guten Freundinnen auch das ein oder andere saftige Detail besprochen wird. In Frauenrunden geht's ja teilweise derber und deftiger zu als in der übelsten Männerrunde, aber dafür gewitzter, witziger. In der Männerrunde wird so nur über Frauen gesprochen, die sozusagen "für alle zum Abschuss freistehen" (argh, was für ein Ausdruck...); ein Mann würde aber keine tiefgreifenden Details über seine Freundin preisgeben - weil, dann würden die anderen ja eventuell neidig werden. Und: viele Männer würden das als Respektlosigkeit der Frau gegenüber ansehen, denke ich...
Den Frauen ist das wurscht - da werden die Luschis genauso besprochen wie die Wunderbaren, die One-Night-Stands, die Freunde, Ex-Freunde, Immer-wieder-Freunde... Der Unterschied ist dann wahrscheinlich, dass die Frauen eher zu vermitteln versuchen, was ein Mann in ihnen auszulösen vermag (oder auch nicht) - es ist trotz allem kein Austausch über technische Details sondern über Seelenregungen...

Übrigens meinte ich mit Eine Frau kann sich bei der Zeitungslektüre einen runterholen, darüber staunt der Mann nur so. nicht die Kunst der Freihand-Befriedigung, sondern eher, dass Frauen weniger Kopfkino brauchen. Viele Frauen können sich selbst befriedigen während sie meinetwegen Cartoons ansehen (oder eben Zeitung lesen); das ist bei vielen Männern nicht so, die müssen sich dann was dazu ausdenken. Die Lust ist noch stärker ans Hirn gekoppelt.
Aber damit ein Frauenkörper warm und durchlässig wird, muss das Hirn entspannt sein, also hilft's eh nix, ein guter Liebhaber muss auch ihm Aufmerksamkeit schenken...