Sonntag, 22. Juni 2008

was neues...

... war es für mich mit Sicherheit, beim Ticketverkauf während eines Festivals aufgrund meiner Hautfarbe beleidigt zu werden. Von einem Schwarzen. Rassismus verkehrt herum, sozusagen.

Ich gebe zu, ich war vollkommen überrumpelt, obwohl ich doch eigentlich wissen sollte, dass Hautfarben noch lange nichts über Gesinnungen aussagen. Und auch, dass Vorurteile und Engstirnigkeit völker- bzw. farb-übergreifende Phänomene sind.

Nun wurde ich aber von kleinauf darauf abgerichtet, Rassismus und seine "Opfer" (schwarz, kaffeebraun oder asiatisch) zu erkennen und mich zugleich der Gruppe von "Tätern" (weiß) zugehörig zu fühlen, so dass mich die Wendung dieses Blatts an einem Punkt traf, an dem ich auf kein erlerntes oder erlebtes Wissen zurückgreifen konnte. Ich war - mundtot. Und musste lachen (was mein Gegenüber wohl in der Annahme bestärkt haben muss, ich sei eine hinterfotzige, betrügerische Weiße).

Ich wurde noch nie wegen meiner Haut und ihrer Farbe kategorisiert, schubladisiert oder mit Etiketten beklebt. Bin also ein vollkommen unbeschriebenes Blatt. An meiner Reaktion erkenne ich am eigenen Leib das wirklich Hintertückische des Rassismus': er untergräbt das Identitätsgefühl, zerstört die Empfindung eines grundsätzlichen In-Ordnung-Seins und schlussendlich verpflanzt er Scham und Schuld in das System eines Menschen.

Ich reagierte folgendermaßen: zunächst Empörung. "Wie kann der nur so über mich reden, nur weil ich so aussehe, er kennt mich nicht!" Dann - einlenken. "Wenn ich zurückschimpfe, dann... und überhaupt, wie sieht das aus, wenn ich hier mit einem schwarzen Mann streite, noch dazu einer, der so schreit." Dann - Scham. "Ich bin weiß. Ich gehöre zu jenen, die das System so gestalten, dass dieser Mann verbittert." Dann - Schuld. "Ich bin weiß. Und ich tue nicht genug." Dann - Aufbäumen. "Was hier passiert, ist nicht richtig." Dann (das Gift sickert nach): "Er hat Recht. Ich habe vermutlich den Fehler begangen, den er mir unterstellt. Und wenn ich mich umsehe, dann sind viele Weiße tatsächlich so, wie er behauptet. Und für sie schäme ich mich, weil ich eine von ihnen bin."

Ich weiß nicht, warum mich das so aufwühlt - es ist ja nicht das erste Mal, dass mein Empfinden von mir selbst von außen angegriffen und in Frage gestellt wird. Vielleicht liegt es am Thema Haut - deren Farbe kann ich ja nun wirklich nicht ändern (ja, gut, weil ich nicht ins Solarium gehe etc.). Wegen meiner Haut angegriffen zu werden, hat mich mit Gefühlen des Ausgeliefertseins und der Machtlosigkeit bekannt gemacht, denen ich so noch nicht begegnet bin. Vielleicht weil Haut etwas so öffentlich-intimes zugleich ist, weil sie meine grobstofflichen Grenzen, mein Territorium bestimmt ... Ich weiß es nicht.

Danke jedenfalls dem "Täter".

Mittwoch, 18. Juni 2008

ein paar gedanken zu wandel und dauer

Meine Freunde haben sich wieder über den Erdball verteilt. Es fällt mir nicht schwer, die Menschen loszulassen. Aber die Gemeinschaft, die an einem Ziel gearbeitet hat, ist wieder verstreut. So soll es sein - und trotzdem fühlen wir uns alle plötzlich sehr klein; sehr allein.

Ungewisse Phasen lösen bei mir einen Mechanismus aus, der mich alle Antennen ausfahren lässt und alarmbereit hält. Ich befinde mich dann in einem Niemandsland zwischen totaler Aufmerksamkeit, Kopflosigkeit und Erwartung. Ich warte, welche Türe sich öffnen wird (bis jetzt lag hinter dem Nebelschleier immer nur Gutes) und in der Zwischenzeit suche ich mir etwas zum Festhalten.

In diesen Phasen erfahre ich besonders deutlich alle meine Tugenden und noch nicht integrierten Schattenseiten nebeneinander. Ich entfalte unglaubliche Disziplin, Stärke und Wachsamkeit und im selben Maße steigt die Unruhe und Raserei in meinem Geist. Oder vielleicht nehme ich einfach nur verstärkt wahr, dass ich kaum etwas mit ganzer Hinwendung mache; ... dass ich drei Runden Spider-Solitär spiele während der Browser lädt; auf der Uni ans Essen denke, während dem Essen ans Üben denke, und während dem Üben an die Erlagscheine.

Während ich ungekannte Geduld aufbringe und mich in Demut übe, vergleiche ich mich mit anderen; lande höher oder tiefer auf dem gedachten Podest; bin in einem Augenblick die Königin der Welt, im nächsten zu nichts nütze. Im einen Moment gebe ich nach und lasse los; im Nächsten klage ich an, schimpfe, suche.

Ich genieße den Prozess; die Wogen sind das Einzige, woran ich mich festhalten kann. Anscheinend weiß ich mit handfesten Krisen, Angst, Scham oder Panik besser umzugehen, als mit monotoner Abgestumpftheit, in der es mir weder richtig gut noch richtig schlecht geht.

Und Yoga erweist sich wieder einmal als mein Anker, mein Kompass und mein Schiff zugleich. Es erstaunt mich selbst, dass sich meine Praxis immer weiter vertieft. Im Laufe der Monate und Jahre nimmt die Fruchtbarkeit dieses Bodens nicht etwa ab - und ich erkenne mit der größten Freude, dass inmitten meines Lebens einen Pol von lebendiger Dauer gewachsen ist, der sich beständig ausweitet.

Ich bin ein flatterhafter Mensch, lebe ein bisschen im Wettstreit mit mir selbst und lege mir gelegentlich Steine in den Weg, nur um drübersteigen zu können. In mir liegt eine Furcht, nichts entdecken zu können, abzustumpfen oder zu versacken. Eine Furcht davor, der Strom des Lebendigen könnte versiegen, oder davor, den Weg zur Quelle nicht zu finden. Was mich gelegentlich antreibt, ist die Scham, nicht zu genügen. Was mich zurückhält, die Angst, falsche Schritte zu wagen.

Denn eine Qualität von Dauer habe ich in mir und in meinem Umfeld (bis vor einigen Jahren) nur selten erlebt. Ich meine mit "Dauer" einen beständigen Fluss neutraler Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen, der von Egos, Raum oder Zeit nicht unterbrochen werden kann.

Ich war mir auch der Bedingungslosigkeit solcher Dauer nicht bewusst. Dass sie tatsächlich auch dann besteht, wenn ich ganz aus meiner Mitte gerate und so gar keine Yogini bin.

Und nun finde ich beide Seiten vereint; die Bewegung und die Dauer: Ich stelle nicht nur fest, dass mich eine Sache nach langer Zeit immer noch immer weiter überraschen, anziehen und befriedigen kann. Ich freue mich an dem stabilen Gefährt, das ich mir gebaut habe und mit dem ich bis jetzt sicher unterwegs bin.

Ich bin dankbar und freue mich über die Zuversicht und Lebendigkeit, mit der ich die scheinbar leere Seite aufschlagen kann.

Die nächsten Wochen werden voraussichtlich ebenso turbulent, wie die vergangenen. Der Umbau in meinem Innenleben führt zu schöpferischer Leere auf meinem Blog. Ich brauche viel Zeit - ich hoffe, ihr harrt mit mir aus.

***

Im Traum heute Nacht spreche ich mit einem Mädchen. "Die Guten bekommen nicht den einfachen Weg. Die Guten gehen den Berg hinauf." Ich sehe Sam, der Frodo den Berg hinaufschleppt - nicht wie in Jacksons Verfilmung - mein eigenes Kopfkino. Das fällt mir ein, als ich heute einen Hügel hinauf radle. Muss schmunzeln.

Montag, 9. Juni 2008

zurück in die zukunft

Bin z.Z. in einer Zeitschleife gefangen!

Nach einem Jahr wieder in Schweden, wo ich 2006/07 studiert hab.

Liebe Leser, es ist verwirrend.

Habe das Gefühl, als wäre das Jahr dazwischen nicht passiert: möchte Gebäude betreten, als würde ich immer noch drinnen arbeiten, wohnen oder studieren...

Ich kann sogar noch auf Schwedisch zählen!